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„Viele schreien nur: Bei mir nicht“

Bürgerbegehren gegen Gesundheitsraum in Billstedt wird angemeldet  ■ Von Elke Spanner

Wenn Rolf Miller, Leiter des Bezirksamtes Mitte, morgen seine Post öffnet, ist der erste Schritt in Richtung einer restriktiveren Hamburger Drogenpolitik bereits getan. Denn bis Freitag will die Billstedter „Bürgerinitiative gegen Drogen“ brieflich ihr Bürgerbegehren offiziell anmelden, um dann auf die Jagd nach den erforderlichen rund 4600 Unterschriften im Bezirk Mitte gehen zu können. Mit ihrer Initiative wollen die BillstedterInnen verhindern, daß das „Drug-Mobil“, ein Gesundheitsraum in einem umgebauten Linienbus, feste Räume bekommt (taz berichtete am Montag).

Das hatten die Fraktionen von CDU, SPD und GAL im Ortsausschuß Billstedt einhellig beantragt. Seit 1994 muß der Trägerverein „freiraum e.V.“ seine Fixerstube, das Beratungsangebot, die Wundversorgung und den Cafébetrieb für die DrogenkonsumentInnen auf rund 30 mobilen Quadratmetern organisieren. Am Dienstag abend wollten SPD, CDU und GAL im Ortsausschuß entscheiden, ob stattdessen Container an der Legienbrücke aufgestellt werden. Doch zwischenzeitlich hatte die Bürgerinitiative über 800 Protestunterschriften zusammengesammelt und das Bürgerbegehren angekündigt. Und plötzlich sah die CDU noch „Beratungsbedarf“. Die Entscheidung im Ortsausschuß wurde daraufhin um einen Monat vertagt.

„Wir wollen eine eindeutige Klarstellung, daß solche Zustände, wie die Anwohner sie fürchten, vermieden werden“, begründet der Fraktionsvorsitzende der CDU, Norbert Frühauf, das Zögern seiner Partei. Rund um die künftige Drogenhilfe-Einrichtung sollten schließlich „ordnungsgemäße Zustände herrschen“. Die Befürchtung der AnwohnerInnen, daß sich stattdessen eine offene Drogen- und Dealerszene bilden könne, müsse berücksichtigt werden. So will die CDU etwa eine Formulierung aufnehmen, daß die Einrichtung wieder geschlossen wird, sollte sich die Drogenszene vom Hauptbahnhof weg nach Billstedt verlagern. Außerdem sollten die Container zunächst nur für fünf Jahre dort aufgestellt werden. Dann, so Frühauf, soll neu über deren Bestand befunden werden.

Die „Bürgerinitiative gegen Drogen“ hofft nun, in den vier Wochen bis zur nächsten Ortsausschußsitzung ihr Bürgerbegehren schon soweit vorangetrieben zu haben, daß dem Drug-Mobil gar nicht erst die Container zugesprochen werden. Die AnwohnerInnen der Legienbrücke haben bereits drei Vertrauensleute bestimmt, welche die Fragestellung formulieren, unter der das Bürgerbegehren dann laufen soll. „Die Gründe, warum die Nachbarn die Drogeneinrichtung ablehnen, sind sehr heterogen“, weiß Kathrin Hille, eine der drei Vertrauenspersonen. Sie selbst fürchtet, daß sich in Billstedt eine offene Szene bildet. Aber „viele schreien nur: Bei mir nicht“, sagt Hille. „Andere sagen, das Elend der Junkies ist ihnen egal, schließlich seien die selbst schuld an ihrer Sucht. Deshalb wollen sie für Drogenhilfe kein Geld ausgeben.“

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