■ Filmstarts à la carte: Die kokette Alte
Die Langlebigkeit ihrer Filmkarriere verdankte Bette Davis unter anderem der Tatsache, daß ihr Erfolg sich nicht allein auf Schönheit gründete. Eher im Gegenteil: Rechtzeitig ins Charakterfach gewechselt, scheute Davis vor Häßlichkeit in ihren Rollen nie zurück – fast schien es, als wolle sie ein wenig mit dem vorrückenden Alter, das nicht allzu gnädig mit ihr verfuhr, kokettieren. So auch in Joseph L. Mankiewicz' „All About Eve“, wo Davis mit Verve den vierzigjährigen Theaterstar Margo Channing verkörpert. Margo sieht ihre Felle davonschwimmen: Nicht genug, daß ihr Regisseur und Liebhaber um einige Jahre jünger ist als sie, schreibt doch ihr bevorzugter Bühnenautor auch noch vornehmlich Stücke mit zwanzigjährigen Hauptfiguren, deren Darstellung für sie langsam zum Problem wird. Als dann die theaterbesessene und nur vermeintlich servile „Bewunderin“ Eve Harrington (Anne Baxter) auftaucht, die berechnend Margos naive Freunde ausnutzt, um die Starrolle an sich zu reißen, scheint Margo vor den Trümmern ihrer Karriere wie ihres Privatlebens zu stehen. „All About Eve“ ist nicht nur eine zynische Komödie mit scharfem Wortwitz über ewigen Konkurrenzkampf auf den Brettern, die die Welt bedeuten (auf den neuen Star Eve wartet am Ende schon die nächste „Bewunderin“ in der Garderobe), sondern auch und vor allem ein Film über das Theaterspielen. Und die Kontrahentinnen spielen nicht nur auf der Bühne: Um sich ihren Traum zu erfüllen, verstellt sich die kalte Eve als schüchternes nettes Mädchen, während Margo ihre Ängste hinter besonders primadonnenhaftem Getue zu verstecken sucht. Allerdings konnte sich Mankiewicz auch einige böse Anspielungen auf andere Medien nicht verkneifen: In einer kleinen Rolle verkörpert Marilyn Monroe eine Schauspielerin, der nach einer Leseprobe jegliches Talent abgesprochen wird. Auf ihre Frage, was sie denn nun tun solle, antwortet ein Theaterkritiker: „Versuch es doch einfach mal beim Fernsehen.“
Von der kommenden Woche bis zum 20. November zeigt das Arsenal eine Retrospektive mit Filmen des japanischen Meisterregisseurs Yasujiro Ozu. Eröffnet wird die Reihe am Dienstag mit „Samma no aji“ (Ein Herbstnachmittag), seinem letzten Film aus dem Jahre 1962. Noch einmal greift Ozu alle ihm wichtigen Themen auf: die Beziehungen der älteren zur jungen Generation, das Verhältnis von Tradition und Moderne, den Einbruch westlicher Lebensweisen in die traditionelle japanische Gesellschaft, die veränderte Stellung der Frau. Ozu erzählt auf ruhige Weise unspektakuläre Familiengeschichten: ob man vom Vater Geld für einen Kühlschrank leiht, ob man sich gebrauchte Golfschläger leisten kann und ob sich der erwachsene Bruder nicht auch einmal selbst das Essen bereiten kann, anstatt sich von der Schwester bedienen zu lassen. Vor allem aber stellt sich in Ozus Filmen immer wieder eine Frage: Dürfen verwitwete Elternteile wie selbstverständlich die Hilfe ihrer unverheirateten Töchter in Anspruch nehmen – oder wird diesen dadurch ein eigenes Leben verwehrt? Beide Seiten belastet stets das schlechte Gewissen – und hinter edelmütigem Verzicht lauern bei Ozu Melancholie und Einsamkeit.
Lars Penning
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen