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Full Plastic Jacket

Synergieeffekte zwischen Kriegs- und Spielzeugindustrie und Amok laufende Puppen. In „Small Soldiers“ aktualisiert Joe Dante seinen Kultfim „Gremlins“  ■ Von Thomas Winkler

Wo beginnen? Bei den Special Effects, den starken Frauenfiguren, der Kapitalismuskritik, der Faschismusparabel oder der Ambivalenz des Ganzen? Oder doch besser da, wo wohl jedes amerikanische Lehrstück beginnen muß: im Schoß der US-Gesellschaft, da wo Freiheit, Toleranz und Familienwerte keimen, kurz: in einer kleinen Stadt auf dem flachen Lande. Nennen wir sie Winslow Corners und plazieren sie in Ohio. Dort, so sei es, gibt es noch einen Spielzeugladen, in dem aus moralischen Gründen auf den Verkauf von Kriegsspielzeug verzichtet wird, spielt Mutti Tennis, geht Papa auf Geschäftsreise, und Sohnemann ist schüchtern und unsterblich verliebt in das Mädchen von nebenan.

Diese Idylle wird heimgesucht von nur 30 Zentimeter hohen, mit virtueller Intelligenz ausgestatteten und lernfähigen, nur leider Amok laufenden Actionfiguren. Die mit den Muskelbergen und der gestischen Ausdruckskraft von Arnold Schwarzenegger ausgestatteten Plastiksöldner sind das neueste Produkt einer Spielzeugfirma, die unlängst von einem Rüstungskonzern übernommen wurde. Nun schlagen die Synergieeffekte zu. Ausgerüstet mit dem neuesten Chip des Mutterkonzerns und programmiert darauf die „Gorgonites“, eine andere, allerdings friedliebend programmierte Actionfiguren-Serie, zu vernichten, bricht das „Commando Elite“ aus seiner Verpackung aus, legt auf der Suche nach den Gorgonites den netten Spielzeugladen in Schutt und Asche, bastelt sich in der Werkstatt ein Waffenarsenal und funktioniert Schlaftabletten zu einem chemischen Kampfstoff um. Währenddessen freunden sich Mensch und Gorgonite an und lernen voneinander.

Im Grunde also ist „Small Soldiers“ fast ein Remake des bisher größten Erfolgs von Regisseur Joe Dante. Seine „Gremlins“ von 1983 waren zwar meist niedlich, besaßen eine putzige Vorliebe für „Schneewittchen“ und Heimatfolklore, aber offenbarten bei Lichteinfall ihre zerstörerische Seite und begannen eine friedliche Kleinstadt zu terrorisieren. Diesmal übernimmt die Computertechnik diese ambivalente Funktion.

Dazu bedient sich Joe Dante natürlich selbst ausführlich der Technik. Puppen in verschiedenen Materialien und Größen, gesteuert per Kabel oder wie eine Marionette, wurden kombiniert mit den Rechnern von Branchenprimus Industrial Light & Magic (ILM), die schon Spielbergs Saurier generierten, „Star Wars“ für den Relaunch aufmotzten, „Forrest Gump“ durch die Geschichte stolpern und „Die Maske“ tanzen ließen.

Stolz weisen die Produzenten darauf hin, daß es in „Small Soldiers“ fünf mal so viele bewegte Figuren wie in „Lost World“ gibt, und bei den Berechnungen eines einzigen Gorgonite 62mal soviel Speicherplatz belegt wurde wie für den T. Rex aus „Jurassic Park“. Ein Grund für den Aufwand war, daß die Figuren in „Small Soldiers“ nicht so perfekt animiert, inklusive kompletter menschlicher Ausdruckspalette, wie zum Beispiel in „Toy Story“ wirken sollten, sondern so ungelenk wie Spielzeug aus Hartplastik, das losläuft, eben nun mal aussieht.

Aber bei Dante mag die Tricktechnik noch so avanciert sein, im Grunde reanimiert er in „Small Soldiers“, deren Gorgonites Frankensteins Monster oder einem Alien aus „It Came From Outer Space“ nachempfunden sind, nicht nur die Figuren, sondern auch die technikfeindliche Ideologie des Trash-Kinos der fünfziger Jahre, dessen durch Atomkraft mutierte Monster aus den Sümpfen stiegen, um sich an den verantwortlichen Wissenschaftlern und Politikern zu rächen.

Allerdings erschöpft sich seine Kapitalismuskritik in der karikaturhaften Zeichnung des Konzernchefs, der wie ein Firmendespot alter Schule agiert und nicht wie ein modernes Managerkollektiv. Die kleinstädtischen Gesellschaften, die Dante porträtiert, kennen keine Drogenprobleme, Kriminalität oder kaputten Familien. Die guten Menschen fahren Käfer, die Bösen fällen Bäume, und der Gorgonite klickt sich im Internet interessiert durch die amerikanische Geschichte. Selbst wenn die Nachbarin offensichtlich Alkoholikerin ist, dient das bestenfalls zum Anlaß einiger Scherze, zerstört aber in keinem Moment den grundsätzlich positiv besetzten Entwurf von der mittelständischen Kleinfamilie. Zugeständnis an die neunziger Jahre sind bestenfalls die zupackenden Frauenfiguren.

Wieder einmal hat Dante versucht, seine Kritik an den herrschenden Zuständen in gute Unterhaltung zu verpacken. Und wieder einmal ist ihm das so gut gelungen, daß er sie hätte auch weglassen können. Die moderne Technik, will er uns wohl diesmal bedeuten, ist nur so gut wie der Mensch, der sie einsetzt; Männer dürfen auch mal schwach sein; und Krieg übrigens ist keine sonderlich tolle Sache. Achtjährige allerdings kommen bestimmt nicht mit diesen Erkenntnissen aus „Small Soldiers“, sondern mit der quengelnden Bitte an die Eltern: Ich will auch so ein Spielzeug zu Weihnachten.

„Small Soldiers“. Regie: Joe Dante; mit Gavin Scott, Adam Rifkin, Kirsten Dunts, Gregory Smith, Jay Mohr. USA 1998, 110 Min.

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