■ Auslandsinvestitionen: Frankreich will keine MAI-Verhandlungen: Deregulierer auf dem Abstellgleis
Hut ab vor der französischen Regierung. Im Alleingang könnte sie es schaffen, daß der Welt das äußerst umstrittene Abkommen zur Totalliberalisierung von Auslandsinvestitionen, MAI, erspart bleibt. Schon im Frühjahr konnte das Abkommen nicht wie geplant verabschiedet werden, weil Frankreich sich sträubte. Und auch jetzt müssen dank Frankreichs Weigerung die offiziellen MAI-Verhandlungen abgesagt werden.
Was ist geschehen? Mehr noch als die entwicklungspolitischen NGOs, die die Verhandlungsparteien zum Nachdenken über Umwelt- und Sozialstandards brachten, haben sich die französischen Intellektuellen als schlagkräftige politische Kraft erwiesen. Ihr Wunsch, die ungehinderte Ausbreitung US-amerikanischer Kultur – gemeint ist die aus Hollywood – in der Alten Welt zu unterbinden, stieß auf offene Ohren bei der Regierung in Paris. Doch das allein hätte wahrscheinlich nicht genügt, schließlich war die Verhandlungsgruppe bei der OECD schon zu einer Ausnahmeregelung hierfür bereit gewesen.
Im Laufe des Sommers haben sich die Rahmenbedingungen radikal geändert. Die Deregulierer und Liberalisierer standen angesichts der Finanzkrisen in Asien und Rußland auf einmal mit dem Rücken zur Wand. Plötzlich war die Forderung nach einer besseren Regulierung der außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte salonfähig geworden. Daß das MAI die Deregulierung selbst extrem kurzfristiger, spekulativer Finanzinvestitionen festschreiben will, erschien vielen nun geradezu als gemeingefährlich.
Jetzt muß sich eigentlich nur noch die künftige deutsche Regierung hinter die französische stellen, dann könnte die OECD die Akte MAI schließen. Die SPD hat sich immerhin gegen den vorliegenden MAI- Entwurf ausgesprochen – wenn auch nicht grundsätzlich gegen ein Abkommen zum Schutz von Auslandsinvestitionen. Die reale Entwicklung der Weltwirtschaft hat das MAI schlicht abgehängt.
Das Investitionsabkommen hat jetzt nur noch eine Überlebenschance, wenn der bisherige Vertragsentwurf im Papierkorb landet. Nur auf der Basis eines radikal geänderten Textes ist die französische Regierung zu neuen Verhandlungen bereit. Auch von einer SPD-Regierung dürfte es Unterstützung für einen Umbau des MAI geben. Zu raten ist den Verhandlungspartnern, daß sie sich diesmal rechtzeitig mit den Kritikern aus Nord und Süd zusammensetzen. Die Tür zu einem internationalen Abkommen, das sozial und ökologisch nachhaltige Investitionen fördert, ist jetzt endlich offen. Nicola Liebert
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