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Alte Macher provozieren mit Plutonium

■ Während in Bonn eine neue Energiepolitik ausformuliert wird, versucht ein Ableger des Noch-CDU-Forschungsministers einen Plutoniumtransport über Bremerhaven durchzuboxen

Torpedo gegen die neue Regierung und den zu erwartenden Umschwung in der Atompolitik: Am Donnerstag landete eine Information auf dem Schreibtisch von Hafensenator Uwe Beckmeyer (SPD), daß ein Plutoniumtransport über Bremerhaven beantragt worden sei. Die Butterfahrt mit 70 Kilo hochgiftigem Plutonium ist vom Kernforschungszentrum Karlsruhe für Anfang Dezember beantragt worden. Per LKW soll das Gift von der Mox-Brennelemente-Fabrik in Hanau in die Wiederaufbereitungsanlage im schottischen Dounreay gebracht werden.

Beckmeyer sprach von einer „enormen Provokation, die hier versucht wird“ und forderte die Auftraggeber in Karlsruhe und die Verantwortlichen im Bundesforschungsministerium auf, den Antrag zurückzuziehen, bis die Energiepolitik der neuen Regierung ausformuliert sei. „Ich halte einen solchen Transport vor dem Hintergrund des anstehenden Regierungswechsels und der damit verbundenen Ausgestaltung einer neuen Energiepolitik für absolut kontraproduktiv“, so Beckmeyer.

Das Zentrum in Karlsruhe ist ein 90prozentiger Ableger des Bundes und liegt in der Zuständigkeit des (noch) konservativen Forschungsministeriums. CDU-Minister Rüttgers könnte also das Zentrum anweisen, einen Rückzieher zu machen. Doch das Kernforschungszentrum Karlsruhe hat die Spedition Nuclear Cargo Service offenbar bereits beauftragt, das Plutonium zu transportieren. „Das alles riecht doch danach, daß einige Herren, die eine andere politische Meinung haben, anderen Herren ein Ei ins Nest legen wollen“, so Beckmeyer. Im Klartext: Wenn der Transport erst mal genehmigt ist, kann auch ein neuer Umweltminister Jürgen Trittin nichts mehr machen.

Rückendeckung für seinen öffentlichkeitswirksamen Vorstoß holte sich Beckmeyer auch von Wolfgang Jüttner, dem niedersächsischen Umweltminister. „Er hat mich heute bei einem Telefonat in meinem Vorgehen bestärkt“, so Beckmeyer. Die Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie, die gerade von der rot-grünen Koalition in Bonn beschlossen wurden, basieren auf einem Strategiepapier von Minister Jüttners.

Der Plutonium-Transport über Bremerhaven ist nicht der erste seiner Art. Kurz vor Weihnachten 1997 wurden 59 Kilo Plutonium in Bremerhaven eingeschifft – Greenpeace blockierte damals das Auslaufen des Schiffes „Arneb“ für 15 Stunden. Wahrscheinlich soll diesmal wieder das gleiche Schiff benutzt werden. Im Juni 1998 sollte es erneut zu einem Plutonium-Transport kommen. Die Skandale um die Castor-Transporte waren allerdings gerade hochgekocht, so daß neben dem Castor-Transportstopp auch einer für Plutonium verhängt wurde – ausgesprochen von einem CDU-Ministerium. Das alles gilt jetzt nach der Wahl nicht mehr. Für Beckmeyer eine „Verhöhnung der Wähler“.

Was geschieht, wenn die Atom-Transporteure ihren Transport durchziehen wollen, ließ Beckmeyer offen. Rechtlich ist umstritten, ob der Häfensenator ein Verbot verfügen kann. Als gehandelte Möglichkeit käme eine sogenannte „Entwidmung“ des Hafens in Frage. Dann dürften bestimmte Produkte nicht mehr über Bremerhaven transportiert werden. Bislang konnte sich Beckmeyer zu solch einem drastischen Schritt nicht entschließen. Christoph Dowe

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