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Gesucht: Soziale Kompetenz

■ Gerade Existenzgründer sollten sich auf Herz und Nieren prüfen lassen. Eine Berliner Firma bietet Assessmentcenter für Selbständige

Was braucht man, wenn man ein Unternehmen gründen will? Eine gute Idee? Na klar. Geld? Auf jeden Fall. Ein solides Konzept? Unbedingt. Aber ist es damit schon getan? Was ist, wenn einfach ein paar persönliche Voraussetzungen fehlen, man sich nicht durchsetzen, keine Entscheidungen treffen kann, zwar Ideen hat, aber keine Geduld, sie umzusetzen?

„Vor allem, wenn jemand gerade von der Uni kommt, fehlt oft die richtige Selbsteinschätzung“, meint Personalberaterin und Unternehmensgründerin Sabine Rösler. Wer eine feste Anstellung suche, müsse sich durch Bewerbung, Auswahlverfahren und Vorstellungsgespräche kämpfen. Bei Selbständigen ist das anders: Obwohl es gerade für kleine und neue Unternehmen überlebensnotwendig ist, daß sie von jemanden repräsentiert und geleitet werden, der oder die nicht nur vernünftig kalkulieren, sondern auch mit potentiellen GeldgeberInnen, LieferantInnen, KundInnen und Beschäftigten umgehen kann, werden bei der Gründung keinerlei Persönlichkeitsmerkmale abgefragt. Eine Firma anzumelden ist kein Problem. Den Geldgebern reicht es in der Regel, wenn Konzept und Finanzierung stimmen. Und dafür kann man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Hier sieht Rösler eine Marktlücke: Warum soll jemand, der darüber nachdenkt, sich selbständig zu machen, sich nicht genauso auf Herz und Nieren prüfen lassen wie ein künftiger Manager?

Wie das geht, hat sie als Betriebswirtin, Referentin in der Weiterbildung und in ihrem letzten Job als Assistentin einer Geschäftsführung gelernt. „Ich weiß, wie Unternehmen auswählen.“ Eines habe ihr dabei meist gefehlt: „Alle reden von sozialer Kompetenz, aber dann wird die nur in Fragebögen getestet.“ Und wer die einmal beantwortet habe, wisse, was erwartet werde. Das zeugt vielleicht von kognitiver Intelligenz, hat aber mit sozialer Kompetenz nichts zu tun.

Röslers Ansatz: Statt die KandidatInnen in den Rollenspielen und Aufgaben des Assessmentcenters ausschließlich auf Leistung und Durchsetzungsvermögen zu testen, will sie die ganze Bandbreite der Kriterien von Führungskompetenz über Engagement, Teamfähigkeit und Entscheidungsvermögen bis zu Empathie abtasten.

Wenn sie im Herbst mit den ersten Assessmentcenters beginnt, hat sie bereits jede Menge Vorlauf hinter sich. Schließlich brauchte sie eine Finanzierung, eine Unternehmensplanung, Räume. Und die notwendige Fachkompetenz: neben betriebswirtschaftlichem auch psychologisches Wissen – und Erfahrung mit Jobsuchenden. Im vergangenen Jahr arbeitete sie daher bei einer Personalberatung in Berlin-Mariendorf. Gleichzeitig baute sie ihre Firma auf, die mit der Beratung kooperiert. EQvip nennt Rösler das Projekt.

„EQ“ steht für Equality, hat also auch mit Gleichstellung zu tun. Tatsächlich spricht diese Form des Assessmentcenters vor allem Frauen an. Die Veranstaltungen nach Geschlechtern zu trennen, fände die Existenzgründerin aber fatal: „Im Berufsleben muß man sich auch zusammenraufen.“ In mehreren Runden mit extra geschulten BeobachterInnen haben Rösler und ihre erste Mitarbeiterin, eine Psychologin, die Testverfahren ausgearbeitet und verfeinert. Die ersten ProbandInnen, die sich nach Anzeigen in den Stadtmagazinen gemeldet hatten, beurteilten die Probeläufe, in denen sie neben Diskussionen und Einzelprüfungen auch gemeinsam kreative Aufgaben vor BeobachterInnen bewältigen mußten, zwar meist als „erstaunlich wenig stressig“, waren dann aber erstaunt, was sie tatsächlich von sich preisgegeben hatten. Und wie daneben sie manchmal mit ihrem Selbstbild lagen. Ein Teilnehmer wurde vom Fleck weg engagiert – obwohl der Unternehmensvertreter eigentlich „nur mal gucken“ wollte.

Genauso stellt sich die Gründerin den erfolgreichen Abschluß vor. Schließlich hat sie als KundInnen nicht nur die Firmen im Auge, die die Assessmentcenter als Hilfe bei der Personalauswahl nutzen wollen, sondern auch die andere Seite. HochschulabsolventInnen und andere Jobsuchende oder eben potentielle Selbständige sollen nicht warten müssen, bis sie zu einem Auswahlverfahren eingeladen werden. Sie können sich für 250 Mark pro Tag selber anmelden, werden dann nach Interessengebieten oder Branchen zusammengefaßt und können sich so mit dem Instrument vertraut machen. Anschließend bekommen sie ein Zertifikat mit Kompetenzprofil, das sie auch späteren Bewerbungen beilegen können. Oder sie knüpfen schon mal Kontakte. Denn während Unternehmen bei der Personalauswahl in der Regel eigene Leute als Beobachter mitschickten, könnten es bei Assessmentcentern für Hochschulabsolventen Personalleiter aus der jeweiligen Branche sein. „Das wäre dann eine intime, feine Art von Jobbörse. Um an potentielle Kunden heranzukommen, wertet Rösler ständig Stellenausschreibungen von Berliner Unternehmen aus. Über Aushänge an den Unis will sie StudentInnen gewinnen. In zwei Jahren muß sich das Projekt amortisiert haben. „Aber wer nicht wagt, kann nicht gewinnen“, sagt sie. Und was könne ihr schon mehr passieren, als daß sie „das Ding gegen den Baum fährt“. Beate Wilms

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