: Geschlechterkampf im Klassenzimmer
■ Einst war Programmmieren Frauenarbeit. Mittlerweile entscheiden sich immer weniger Schülerinnen für ein Informatikstudium. Welche Gründe hat diese Entwicklung?
Mit der Informatikprofessorin Britta Schinzel, Direktorin des Instituts für Informatik und Gesellschaft an der Universität Freiburg, sprach Veronika Renkes.
taz: Wieso interessieren sich Frauen immer weniger für PCs?
Britta Schinzel: In den 40er und 50er Jahren war Programmieren hauptsächlich Frauenarbeit. Man hielt das für eine geistig nicht so anspruchsvolle Tätigkeit, obwohl sie von Mathematikerinnen durchgeführt wurde. Hardware und Computerentwicklung dagegen waren männlich besetzt. Seitdem die Softwareentwicklung gegenüber der Hardware aufgewertet wurde, ist Programmieren ein männlicher Beruf geworden.
Mit welchen strukturellen Problemen haben Frauen im Informatikstudium zu kämpfen?
Frauen haben eine größere Sinnorientierung als Männer. Deshalb brauchen sie einen anderen Aufbau des Studiums. Anfang der 70er Jahre begann das Studium mit der theoretischen Einordnung der Informatik, danach folgten Programmieren, Rechnerstrukturen, Algorithmen. Heute fängt man mit der Programmierung an. Das bereitet Frauen mehr Probleme, sie haben nicht so einen spielerischen Zugang zum Rechner wie die meisten Männer. Frauen gehen viel systematischer vor. Sie entwerfen mit Papier und Bleistift und geben ihre Daten erst in den Computer ein, wenn sie ein fertiges Programm haben. Das entspricht eher dem professionellen Vorgehen, wie es im Arbeitsleben nötig ist.
Weshalb studieren so wenig Frauen Informatik?
Nach einer Studie, die wir gemacht haben, hängt das mit der Vergeschlechtlichung von Informatik und der Computerspielen in der Schule zusammen. Im Kinderzimmer lernen Kinder den PC über Computerspiele kennen. Meist sind das aggressive Spiele. Das spricht die männliche Geschlechtsidentität an. Die meisten Mädchen wenden sich deshalb ab, während viele Jungen der Meinung sind, daß Mädchen nichts im Informatikunterricht zu suchen haben.
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