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Lach', Möbel, lach'!

Bieder und anbiedernd: Die Machtstudie „Der Freund des Präsidenten“ im Altonaer Theater  ■ Von Karin Liebe

Bitte kräftig pusten! Damit die dicken Staubflocken aus allen Ritzen dieser verschnarchten Komödie hochwirbeln. Doch dem ermatteten Zuschauer fehlt es an Kraft. Nach zwei Stunden Theater fühlt er sich selbst wie ein seit Jahrzehnten vollgestaubtes Möbel. Das Möbel soll lachen. Kann es aber nicht. Das Möbel will nach Hause. Bleibt aber dumpf sitzen.

Eigentlich ist die Geschichte ganz nett. Jeder hat sie irgendwo schon mal gehört oder gelesen. Von dem großen Unbekannten, der auf Pressefotos und im Fernsehen immer zwischen Präsident und Minister im Bild auftaucht. Wie man als kleiner Mann ohne Geld und Beziehungen durch geschicktes Auftreten in die High Society gerät, davon erzählt der 1913 geborene Franzose Félicien Marceau in seinem Stück Der Freund des Präsidenten. Bei ihm ist es der Buchbinder Léon Daim (Edgar Bessen), der sich lieber auf offiziellen Festakten in Szene setzt, als im stillen Kämmerlein zerfledderte Bücher zusammenzukleben. Und der durch seine selbstsichere Art sogar hochrangige Politiker glauben macht, sie hätten es mit einer wichtigen Persönlichkeit zu tun. Katrin Kazubkos Inszenierung am Altonaer Theater versetzt den Plot ins bieder-muffige Ambiente der fünfziger Jahre.

So stammt auch das Frauenbild original aus dieser Zeit. Des Buchbinders schlurfige Schwester Angèle (Kerstin Hilbig) denkt nur ans Heiraten, und Sekretärinnen treten entweder als zopfige Brillenschlangen oder Marke aufreizend auf. Dann sitzen sie im hautengen Minikleid auf dem Schoß vom Chef und ziehen einen Schmollmund, weil der Abgeordnete mit dem Freund des Präsidenten telefoniert, statt einen Quickie zu schieben.

Karikaturen und Klischees überall: Die strenge Abteilungsleiterin trägt hochgestecktes Haar, der brave Sekretär Perücke, der verklemmte Marine-Minister ein Spielzeugschiff in der Hand. Über Bürokratie, Bestechlichkeit und Autoritätsgläubigkeit witzeln alle in ausufernden Slapsticknummern so plakativ, daß nur noch das Spruchband „Jetzt bitte lachen“ für den korrekten Einsatz des Publikums fehlt. Immerhin: Diese biedere und anbiedernde Inszenierung hat ein originelles Bühnenbild (Bernd Holzapfel) zu bieten. Vor einem überdimensionalen Aktenordner mit der Aufschrift „Geheim“ spielt sich der unaufhaltsame Aufstieg des Nobodies ab. Wenn der schließlich unverblümt – und ohne Witzelton! – Machtgeilheit als Motor für seine Publicity-Freude nennt, kommt die Geschichte endlich auf den Punkt. Doch da wird der Aktenordner schon wieder zugeklappt. Und viele Tonnen Staub rieseln lachend zu Boden.

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