: Die innere Nacktheit des Kommissars
■ Der Film „Solo für Klarinette“ mit Götz George und Corinna Harfouch läuft jetzt auch in Bremer Kinos. Die taz sprach mit Regisseur Nico Hofmann
„Solo für Klarinette“ ist ein erstaunlich stilsicherer Thriller. Regisseur Nico Hofmann hat vielleicht etwas zu viel bei amerikanischen Neo-Noirs wie „Sieben“ abgeguckt, aber sein Film ist auf jeden Fall interessant anzusehen. Und dies ist desto erstaunlicher, weil er von dem privaten Fernsehsender Pro 7 mitfinanziert wurde. Aber auch Hofmanns bisher größter Erfolg, „Der Sandmann“, ebenfalls mit Götz George in der Hauptrolle, wurde vor drei Jahren von einem Fernsehsender, damals RTL 2, produziert. In „Solo für Klarinette“ ist der Ex-„Schimanski“ Götz George als Kommissar zu sehen. Der taz verriet Hofmann, wie Schimanskis Schatten auch auf diesen Film fiel.
taz: Herr Hofmann, haben Sie „Solo für Klarinette“ mehr für das Fernsehen oder eher fürs Kino gemacht.
Nico Hofmann: Eindeutig fürs Kino. In dem Film zeige ich ja einiges so kompromißlos und direkt, wie das im Fernsehen gar nicht möglich ist.
Pro 7 wird also von dem Film, den es selber mitproduziert hat, nur eine gekürzte, entschärfte Fassung senden?
Leider ja! Man ist dort so auf den Sendeplatz knapp nach 20 Uhr fixiert, daß man lieber den Film jugendfrei schneidet als mit einem anderen Sendeplatz das Primetime-Publikum zu verpassen. Ich würde es viel besser finden, wenn mein Film später am Abend, dafür aber ganz gezeigt würde.
Ich sehe ein weiteres Problem voraus. Sie haben Ihren Film recht dunkel ausgeleuchtet. Ich kann mich noch gut an die Empörung über Fassbinders TV-Serie „Alexanderplatz“ erinnern, bei dem viele sagten, es wäre so duster auf dem Bildschirm, daß man gar nichts sehen könne. Das könnte Ihnen doch auch leicht passieren.
Nein, das glaube ich nicht. Für das Fernsehen wird die Licht- und Farbbestimmung noch mal ganz anders abgemischt, und so dunkel ist es in „Solo für Klarinette“ auch gar nicht.
Eines der Hauptprobleme beim Inszenieren muß es doch gewesen sein, den übermächtigen Schimanski aus Götz George herauszuhalten. Wie ist Ihnen das gelungen?
Natürlich sieht jeder in Götz George, wenn er einen Kommissar darstellt, zuerst den Schatten von Schimanski. Aber hier spielt er sozusagen die dunkle Seite der Figur, die er dort nie zeigen durfte. Dieser Kommissar ist ja tief in der Seele verzweifelt und getrieben. Götz George hat sich so bemüht, vom Schimanski-Image wegzukommen, daß ich ihn manchmal wieder zurückholen mußte, um dem Film mehr Dynamik zu geben. Die Verhörszene drohte fast umzukippen, weil er da zuerst nur depressiv und existentialistisch wirkte. Mit der Betonung von Sexualität und Einsamkeit sind wir hier ja völlig weg von den normalen Tatort-Klischees, aber oft mußte ich wieder ein paar Schritte dorthin zurück, denn ich wollte nicht nur auf der Melodie der Melancholie spielen.
Die Boulevardpresse hat sich ja gleich dankbar auf die eine Bettszene zwischen Götz George und Corinna Harfouch gestürzt und das ist ja auf einer Ebene auch willkommene kostenlose Werbung für Ihren Film. Sowas bringt ja auf jeden Fall mehr Publikum ins Kino als lobende Kritiken im Feuilleton. Freuen Sie sich darüber auch so sehr wie der Filmverleih?
Mich hat das extrem gestört. Wir haben uns ja wirklich ernsthaft darum bemüht, uns mit dem Dreieck Sexualität, Gewalt und Einsamkeit auseinanderzusetzten. Und das wurde durch solche Versuche, einige Szenen in die Nähe der Pornographie zu drücken, torpediert. Dabei ist uns die szenische, innere Nacktheit wichtig, und der Film hat ja nichts mit „Basic Instincts“ oder dem Hochglanz-Broschüren-Sex zu tun. Wir haben statt dessen versucht, Sexualität und Einsamkeit so existentialistisch und pur wie nur möglich zu zeigen. Aber wenn man sich so raustraut und einige Dinge so extrem spielt, dann gerät man schnell in eine entsprechende Kontroverse.
Fragen: Wilfried Hippen
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