: No Trend-Scouting
■ Anschluß geschafft: Ex-Wire-Sänger Colin Newman stellt sein Techno-Label Swim vor
„Als ich das erste Mal in einen dieser DJ-Läden in London gegangen bin, habe ich nach einer CD gefragt. Der Typ an der Kasse sagte, ,Hey Mann, hier gibt's Vinyl, wenn dir das nicht gefällt, beweg deinen Arsch nach Hause.‘ Er hat das ganz freundlich gesagt.“ Man wird nicht jünger, das steht fest. Und Colin Newman, der die kleine Anekdote erzählt, ist nicht mehr der Jüngste. Er war Mitglied von Wire, einer Band, die 1977 ihr erstes Album „Pink Flag“ veröffentlichte und seitdem immer für die Kunstschul- Variante von Punk gehalten wurde. Ein nettes Päckchen Geschichte, das Colin Newman mit sich herumschleppt.
Seit 1993 macht Newman zusammen mit seiner Frau Malka Spigel in London das Label Swim. „Anfangs hatten wir überhaupt keine Ahnung von den Strukturen und Regeln der Techno-Szene. Ein Bekannter von uns brachte unsere erste Maxi in einige Londoner Plattenläden, über die sie dann an DJs verteilt wurden. Plötzlich warteten alle auf die nächsten Swim- Platten.“ Und die kamen. Ob nun von Ronny & Clyde, die man auch im Metalheadz-Lager mag, oder von Cusp oder die teilweise sehr guten Immersion-Remixe. Den Durchbruch bei den DJs schaffte Swim mit den Maxis von G-Man (Gez Varley von LFO) – seitdem werden sie überhäuft mit Demos voller Minimal Techno. „Wenn wir Techno veröffentlichen, meinen wir das ernst. Wenn wir Drum 'n' Bass veröffentlichen, meinen wir das auch ernst“, mahnt Newman, „wir machen nichts, weil es gerade angesagt ist, sondern weil unser Interesse immer von neuen Dingen angezogen wird. Wir wollen mittendrin sein und nicht unbedingt die Scouts für eine ältere Generation spielen.“
In Newmans Emphase steckt auch ein Stück Genugtuung darüber, den Anschluß geschafft zu haben. „Ende der 80er war neben Mute, der Wire-Plattenfirma, das Büro, über das der Export von Warp und anderen Labels lief. Einmal in der Woche bin ich dahin und konnte nicht genug kriegen. Jetzt sind wir selbst Teil dieser Szene. Die meisten der Leute könnten zwar unsere Kinder sein, aber ist das ein Problem?“ Martin Pesch
Ab 22 Uhr mit Ronny & Clyde im Pfefferberg, Schönhauser Allee
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen