: Alles zurück auf Los
Volksgesetzgebung: SPD und GAL einigen sich auf gemeinsame Linie, die sie vor zwei Monaten schon mal beschlossen hatten ■ Von Sven-Michael Veit
Alles zurück auf Los. Im großen Volksgesetzgebungs-Monopoly ist Hamburgs rot-grüne Koalition gestern einen entscheidenden Schritt vorangekommen: Sie bestätigte nach tagelangen Auseinandersetzungen ihren eigenen Beschluß vom 23. August als weiterhin gültige „gemeinsame Grundlage“.
Sie sei „beruhigt und zufrieden, daß die SPD zu dem gemeinsamen Kompromiß weiterhin steht“, kommentierte GAL-Parteisprecherin Antje Radcke. Nach diesem Beweis der Koalitionsfähigkeit habe nun „die Bürgerschaft das Wort“, ergänzte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier.
Rund zwei Stunden lang hatten gestern nachmittag die Spitzenleute von Parteien und Fraktionen der beiden Partner im Rathaus getagt, um zu vermeiden, daß aus einem Koalitionskrächchen eine rot-grüne Krise wird. Dann war „die Kuh vom Eis“, wie ein Mitglied der SPD-Delegation erleichtert seufzte. Noch in diesem Jahr, so lautet der Beschluß, wollen SPD und GAL einen gemeinsamen Antrag in die Bürgerschaft einbringen, um die verfassungsmäßigen Hürden für einen Volksentscheid auf Landesebene zu senken.
Man habe zwar „etwas Tempo verloren“, resümierte Martin Schmidt, verfassungspolitischer Sprecher der Grünen. Denn die GAL wollte ursprünglich schon in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 4. November das Thema behandeln lassen. Nun werde es ein paar Wochen später, aber inhaltlich, so Schmidt, stehe weiterhin der Beschluß vom August „bis zum letzten Komma“. Im Lauf der nächsten Woche sollen noch „ein paar Detailfragen geklärt werden“, verlautete übereinstimmend aus beiden Verhandlungs-Delegationen. Dann werde man „zügig“ das Gespräch mit der CDU suchen.
Denn Rot-Grün benötigt die Stimmen der Opposition, da es sich bei der Volksgesetzgebung um eine Verfassungsänderung handelt, die mit parlamentarischer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden muß. Die Union ist sich ihrer Rolle als Zünglein an der Waage durchaus bewußt: „Wir sind gesprächsbereit“, erklärte gestern Fraktionssprecher Gert Boysen. Die Partei wolle „in konstruktiver Absicht“ mit den Regierungsfraktionen sprechen und gehe davon aus, daß diese „ebenso konstruktiv sind“.
SPD und GAL wollen in die Verhandlungen mit der CDU mit demselben Kompromiß gehen, auf den die Partner sich nun schon zweimal geeinigt haben. Er sieht vor, die Beteiligungs- und Abstimmungshürden für Volksentscheide gegenüber der jetzigen Regelung deutlich zu senken. Diese Linie hatte Rot-Grün im August mit ihrer Mehrheit in der Bürgerschaft abgesegnet und am 27. September als Gegenentwurf zur Vorlage der Initiative „Mehr Demokratie“ dem Volk zur Entscheidung vorgelegt. Das hatte beide Entwürfe knapp abgelehnt.
Für diesen Fall hatten SPD und GAL vereinbart, ihren Entwurf erneut der Bürgerschaft zuzuleiten. An diese Zusage wollten führende Sozialdemokraten, vor allem SPD-Fraktionschef Holger Christier, sich jüngst nicht mehr so recht erinnern. Da die Grünen aber auf der Einlösung des Versprechens beharrten, kreißte nun tagelang der Berg. Und gebar ein Mäuschen.
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