: Wieder einmal: Protest und Krawall in Paris
■ Großer Schüler-Aktionstag in Frankreich vor erwartetem Maßnahmepaket der Regierung
Paris (AFP) – Aus Protest gegen Lehrermangel und weitere Mißstände sind gestern in Frankreich erneut mehr als 150.000 Schüler auf die Straße gegangen. Wie vergangene Woche fanden wieder in fast allen größeren Städten Kundgebungen statt. Erstmals schlossen sich auch zahlreiche Lehrer an. Die Teilnehmerzahl war deutlich geringer als am vergangenen Donnerstag, als 500.000 Schüler demonstrierten.
„Wir wollen nicht einfach mehr Geld“, sagte die Vorsitzende des Schülerverbands FIDL, Olivia Jean. „Der Protest reicht tiefer. Wir wollen, daß alle Schüler einen Abschluß bekommen und die Ungleichheit der Schulen ein Ende hat.“
Bei der zentralen Kundgebung in Paris, wo mindestens 45.000 Teilnehmer erwartet wurden, waren nach ersten Angaben nur rund 15.000 Schüler unterwegs. Vermutet wurde, daß viele Gymnasiasten aus Furcht vor neuen Krawallen wie am vergangenen Donnerstag zu Hause geblieben waren. Trotz eines Großaufgebots an Sicherheitskräften kam es am Nachmittag in Paris wieder zu Krawallen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mehr als 50 mutmaßliche Randalierer wurden festgenommen.
Um der Protestbewegung die Spitze zu nehmen, kündigte der sozialistische Erziehungsminister Claude Allègre einen Maßnahmenkatalog an. Den Inhalt will er heute bekanntgeben, wenn sich die französische Nationalversammlung mit dem Haushaltsentwurf seines Ministeriums befaßt. Nach Presseberichten sind für das landesweite Schulwesen zusätzliche Hilfen von etwa fünf Milliarden Franc (knapp 1,5 Milliarden Mark) geplant. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Unter anderem soll vorgesehen sein, den Regionen mit Krediten zu helfen, um dringend notwendige Renovierungen an Schulgebäuden und besseres Unterrichtsmaterial finanzieren zu können. Außerdem soll das vorhandene Lehrpersonal besser verteilt und den Schülern ein größeres Mitspracherecht eingeräumt werden.
Allègre will am Mittwoch auch eine Schülerdelegation empfangen, um ihr seine Vorstellungen zu erläutern. Die Regierung hofft darauf, daß sich die Protestbewegung mit Beginn der Herbstferien am Wochenende von selbst erledigt.
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