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Geil: Der Schleifer kommt!

■ Trainerwechsel in Bremen / Wolfgang „Babyface“ Sidka geschaßt, Felix „Harter Hund“ Magath unter Vertrag / Werder probiert jetzt die harte Tour

Irgend jemand muß ihm mal gesagt haben, er solle bei Pressekonferenzen hin und wieder lächeln. Er versucht es. Das gelingt aber nur der unteren Gesichtshälfte. Die Augen starren weiter wie untot in die Kameras der Weltpresse. Das Präsidium des SV Werder Bremen präsentierte gestern mittag den neuen Trainer des Tabellenletzten: Felix Magath, 45 Jahre alt, Ex-HSV-Trainer, Ex-Nürnberg-Trainer, bis vorgestern Spaziergänger.

Magath: eine Männerphantasie. Schwarzes Drahthaar, Platin-Managerbrille, angesonnter, ungewöhnlich spurenfreier Erfolgs-Teint, die Stimme autoritätsheischend leise, der Blick hart wie Stein – die grundsätzlich männlichen Sportjournalisten raunen sich begeistert die widerliche Barrasmetapher vom „harten Hund“ zu. Ein „Schleifer“ soll er sein, der Mann, der dafür zu sorgen verspricht, daß unsere besserverdienenden grünweißen Buben „mehr arbeiten als alle anderen“. Statt Wolle „Babyface“ Sidka also jetzt ein Offizierstyp, der offenbar ohne innere Regung das vorliegende Menschenmaterial des SVW in Empfang nimmt: „Ich arbeite mit dem, was mir zur Verfügung gestellt wird.“

Im Hauruckverfahren versucht Werder, zuletzt gebeutelt von der Niederlage gegen Freiburg und geschüttelt von Abstiegsängsten, den Befreiungsschlag. Am Montag will man erstmals mit Magath geredet haben. Am Mittwoch leitete der unglückliche Sidka noch das Training. In der späten Nacht wurde der Vertrag mit Magath unterschrieben, weswegen Manager Willi Lemke gestern noch kleinere Mauseaugen hatte als sonst.

Werder-Präsi Böhmert will und wird mit dem schnellen Trainerwechsel wohl auch seine Präsidentschaft retten. Die „Chemie stimmte nicht mehr“, quakt der Präsident in die sich verheddernden Mikrofone. Und zitiert auch noch – gemein! – den anwesendsten Abwesenden: „Die Tabelle lügt nicht, hat Sidka selbst gesagt.“ Falsche Chemie plus letzter Tabellenplatz brachen Sidka das Kreuz und brachten Werder „den Schleifer“. Selbst Willi Lemke greift vor lauter Aufbruchsstimmung in die ganz große Zitatenkiste: „Es geht ein Ruck durch den Verein!“ Und er ruckt mit. Spekulationen um Lemkes Abschied? „Der Ruck betrifft mich genauso. Jetzt heißt es: Ärmel aufkrempeln und anpacken.“

Der gefühlte Tabellenplatz ist in dieser Mittagsstunde deutlich schon wieder die Nummer 6. Soviel Aufbruch! Ununterbrochen bestreichen sich die Offiziellen und der Neue gegenseitig mit Honig. Magath: „Einer der bestgeführtesten Vereine! So professionell, so seriös, wie es hier zugeht!“ Dumm nur, daß auch noch irgendwelche Jungs irgendwie zielgerichtet und letztlich erfolgreich hinter einem Ball herrennen müssen. Hat eigentlich Magath auch nur einmal gesagt: „Ich freue mich auf die Spieler, das sind einfach wundervolle Leute“? Hat er nicht.

Noch trauriger, als der geschaßte Sidka zur Zeit dreinblicken mag, sieht nur Werders Schatzmeister Manni Müller aus: Er dürfte seine Schatztruhe siebenstellig zu plündern haben, wollen wir mal vermuten. Bis 30.6.2002 läuft der Vertrag mit dem harten Felix. Dazu Böhmert, besinnungslos vor Begeisterung: „Wenn ich drei Wünsche frei hätte – mit Magath 14 Jahre lang zusammenarbeiten!“

Es geht übrigens für Magath direkt heute abend los mit dem Ernst des Lebens. Beim Nordderby gegen den HSV will er „gleich die ersten Punkte einfahren“. Denn, so seine Analyse: „Punkte müssen her.“ Doch vorher wollen wir uns noch einmal für eine Gedenkminute erheben. Für Wolle Sidka, den Mann, der sich im Rahmen der europäischen Krebswoche vor die Öffentlichkeit stellte und bekannte: Ja, auch ich habe eine Prostata. Auch ich gehe zur Vorsorgeuntersuchung. Ein Magath wäre dazu nie fähig. BuS

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