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Die Atomenergie spaltet das Volk

■ Schweizer Anti-Atom-Bewegung kämpfte jahrzehntelang erfolgreich gegen neue AKW

Berlin (taz) – Die Atomlobby in der Schweiz ist ebenso zäh wie anderswo – aber sie hat ein Problem: Bei den Eidgenossen kann das Volk direkt über Atomanlagen abstimmen. Von der Gemeinde- über die Kantons- bis zur Bundesebene haben die Bürger schon mehrmals ihre Stimmen abgegeben. Dabei waren die Ergebnisse oft knapp – egal ob pro oder contra Atom. „Die Atomenergie spaltete in der Schweiz nicht nur Kerne, sondern auch das Volk“, sagt Armin Braunwalder, Geschäftsleiter der atomkritischen Schweizerischen Energiestiftung in Zürich.

Die Zeit der Massenbewegung ist auch bei den schweizerischen Atomkritikern vorbei. Damals, in den siebziger Jahren, erlebten die Baggerführer der Baustelle des geplanten AKW Kaiseraugst Unerhörtes: Kaum fuhren die ersten Lastwagen auf, besetzten am 1. April 1975 AKW-Gegner den Bauplatz zehn Kilometer östlich von Basel. Sie verließen ihn erst 75 Tage später – nachdem die Regierung in Bern Verhandlungen zugesichert hatte und einige schon den Einsatz der Armee gegen die unbotmäßigen Protestler gefordert hatten.

Die Maschinerie der Volksentscheide lief an. So verpflichteten die Basler ihre Regierung, sich dem Bau aller Arten von Atomanlagen zu widersetzen. Bundesweite Volksabstimmungen gegen die AKW scheiterten jedoch 1979 und 1984 knapp. Kaiseraugst wurde erst 1988 endgültig von der Bundesregierung in Bern und den Betreibern aufgegeben. Im September 1990 kam abermals zu einer Abstimmung in der Gesamtschweiz. Das Ergebnis war zwiespältig: Für zehn Jahre wurde ein Baustopp für AKW verhängt. Ein totaler Atomstopp scheiterte jedoch mit 48 zu 52 Prozent.

Nun plant „Strom ohne Atom“, ein Verbund von 40 Gruppen aus allen Landesteilen, eine neue Abstimmung: das Bau-Moratorium um zehn Jahre verlängern und einen schrittweisen Ausstieg mit 30 Jahren Gesamtlaufzeit für die fünf AKW. Derzeit sieht es so aus, als wollten sich Bundesregierung und Betreiber eher in Richtung 50 Jahre Betriebszeit einigen. „Ein solcher Beschluß wäre nicht akzeptabel und hat die Bewegung im letzten Jahr wieder aufgeweckt“, meint Armin Braunwalder. Reiner Metzger

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