: Mysteriöser Tod eines Hackers
■ Ein 26jähriger Computerspezialist, der als erster die Fälschbarkeit von Telefonkarten nachwies, wurde tot aufgefunden. Der Chaos Computer Club vermutet nun ein Verbrechen
Vor neun Tagen verschwand der Computerspezialist Boris F., Mitglied des Chaos Computer Clubs (CCC). Am vergangenen Donnerstag wurde der Diplominformatiker im Britzer Garten in Neukölln gefunden, erhängt an einem Baum. Die Polizei erklärte in einer ersten Stellungnahme, daß sich der 26jährige nach dem vorläufigen gerichtsmedizinischen Untersuchungsergebnis selbst getötet habe. Dennoch wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf ein Kapitalverbrechen eingeleitet. Denn der 26jährige hat nach bisherigen Erkenntnissen nach seinem Verschwinden noch mehrere Tage gelebt, wobei unklar ist, wo er sich aufgehalten hat. Auch gestern ging die Polizei noch von einer Selbsttötung aus. Die Ermittlungen des Landeskriminalamtes dauern noch an.
Nach Darstellung des CCC war Boris F. einer der fähigsten Hacker Europas. Er hatte 1995 als erster die Fälschbarkeit von Telefonkarten nachgewiesen. Mit der von ihm entwickelten „Wunderkarte“ kann man unbegrenzt kostenlos telefonieren. Bei seinem Forscherdrang überschritt Boris F. damals die Grenzen der Legalität und wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Danach nahm er Kontakt mit dem CCC auf und konzentrierte sich auf legale Projekte. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit der Anwendung von modernen Verschlüsselungssystemen auf Kommunikationsverbindungen. Dabei entwickelte er ein Gerät, mit dem das Telefonieren preiswert über ISDN-Leitungen verschlüsselt werden kann.
Boris F. war außerdem am Nachweis der Klonbarkeit von GSM-Karten in Deutschland beteiligt. Die in Deutschland gebräuchlichen Handys arbeiten mit dem sogenannten GSM-Standard, wobei GSM für Global System for Mobile Communication steht – ein Standard, auf den sich Netzbetreiber aus rund 120 Ländern geeinigt haben.
Der Chaos Computer Club geht wegen der Umstände von Boris F.s Verschwinden und seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten von einem Verbrechen aus, „auch wenn wir derzeit keine Erkenntnisse über mögliche Täter besitzen“, teilte der CCC in einer Pressemitteilung mit. „Einen Selbstmord können wir uns nicht vorstellen“, so der CCC. „Vielleicht ist ihm sein Nichtanerkennen des Zusammenhangs zwischen den Grenzen in der virtuellen und der realen Welt zum Verhängnis geworden“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. „Wir bewegen uns in einem zunehmenden Spannungsfeld wirtschaftlicher und politischer Natur“, begründete gestern CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn gegenüber der taz den Verdacht eines Verbrechens. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen