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US-Abtreibungsarzt erschossen

■ Bereits das siebte Todesopfer mutmaßlicher militanter Abtreibungsgegner. US-Präsident Clinton verurteilt den Mord, Frauenorganisation spricht von "nationalem Terrorismus"

New York/Washington (AFP/ taz) – Ein weiterer Mord an einem Gynäkologen in den USA, der auch Abtreibungen durchführte, ist von der Regierung scharf verurteilt worden. Der 51jährige Barnett Slepian war nach Polizeiangaben am Freitag abend von einem Heckenschützen erschossen worden, als er am Küchenfenster seines Hauses in Amherst bei Buffalo im US-Bundesstaat New York stand. Der Täter hatte sich im Garten versteckt und konnte unerkannt entkommen. Präsident Bill Clinton sagte: „Ich bin schockiert über diesen Mord.“ New Yorks Gouverneur Frank Pataki forderte für den Täter die Todesstrafe.

Seit 1993 sind in den USA bei Anschlägen auf Abtreibungskliniken und -ärzte sieben Menschen von militanten Abtreibungsgegnern ermordet worden, darunter drei Ärzte. Alle Anschläge fanden in zeitlicher Nähe zum 11. November statt, dem Veteranentag. Erst vor vier Tagen hatten die Sicherheitsbehörden Kanadas und der USA Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, vor Anschlägen militanter Abtreibungsgegner gewarnt. Schwangerschaftsabbrüche sind in den USA seit 25 Jahren erlaubt.

Nach Berichten lokaler Medien hatten Abtreibungsgegner schon häufig vor Slepians Haus demonstriert. In einem Interview hatte der Arzt gesagt, er habe keine Angst, er fürchte nur um seine Familie. 1992 waren in Buffalo bei einer Demonstration von Abtreibungsgegnern 200 Aktivisten verhaftet worden.

Clinton erklärte: „Ganz egal, wie wir zur Abtreibung stehen, nun müssen alle Amerikaner gemeinsam diesen tragischen und brutalen Akt verurteilen.“ Das Land könne keine Gewalt gegen diejenigen tolerieren, die von der Verfassung geschützte medizinische Dienste ausführten. Justizministerin Janet Reno wies darauf hin, daß der Zusammenhang zwischen Slepians Tätigkeit als Abtreibungsarzt und dem Mord an ihm noch nicht eindeutig feststehe. Die Nationale Frauenorganisation (NOW) forderte besseren Schutz für Abtreibungsärzte. NOW-Vizepräsidentin Kim Gandy bezeichnete den Mord als „nationalen Terrorismus“. „Wir sind alle sehr traurig und verängstigt.“

Der Direktor der Anti-Abtreibungs-Organisation Operation Rescue sagte dagegen, Slepian habe Tausende Babys ermordet, jetzt sei er selbst getötet worden. Den Mord bezeichnete er als „Sünde“, scharf verurteilen wollte er ihn aber nicht. 1996 meldete ein Drittel aller US-Abtreibungskliniken gewaltsame Übergriffe. Die Schwangerschaftsabbrüche gingen in den USA von 1,6 Millionen Ende der 80er Jahre auf 1,4 Millionen 1996 zurück. han

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