: „Wenn es denn ein Mann wird, ist Johannes Rau die erste Wahl“
■ Der Ministerpräsident a.D. wird der nächste Bundespräsident. Wenn er denn will. SPD-Parteichef Lafontaine steht bei Johannes Rau im Wort, und die SPD-Frauen beugen sich, auch wenn nicht alle glücklich sind mit dieser Wahl
Eine Frau, eine Woche, zwei Meinungen. „Wenn ich an der Stelle von Johannes Rau wäre, würde ich mein Lebenswerk anschauen und wissen, daß ich viel geleistet habe, anerkannt bin und daß es jetzt fürs nächste Jahrtausend an der Zeit ist, daß eine Frau rankommt.“ Das ließ die SPD- Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn wissen, als vor zwei Wochen der Unmut der Sozialdemokratinnen über ihre mangelhafte Berücksichtigung bei der Ämterverteilung kochte. Zum Ende der Koalitionsgespräche, als Posten und Positionen verteilt waren, bekannte die „Ruhrpottlerin“, sie „verehre und bewundere Johannes Rau als Menschen, als Ministerpräsidenten a.D. und als Bundespräsidenten, wenn es denn ein Mann wird. Er ist erste Wahl.“
Das stimmt insofern, als Johannes Rau die einzige Wahl ist, die das Führungsduo Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine der Partei lassen will. Es heißt, sie stehen bei dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen im Wort, seit dieser seinen Stuhl nicht ganz freiwillig für Wolfgang Clement freimachte. Oskar Lafontaine ließ in den vergangenen Tagen keinen Zweifel, daß er zu diesem Wort steht. Und der Vorsitzende hat in den letzten Wochen auch deutlich gemacht, daß er seinen Willen durchzusetzen versteht – auch wenn die Partei, wenn die Fraktion murrt.
Eigentlich wollte Lafontaine sein Wort bereits auf dem gestrigen Parteitag einlösen. Er wollte damit ein für allemal das Gemurre und Gemaule beenden, unter dem vor allem Johannes Rau leidet. Doch da war Gerhard Schröder vor. Der wollte seine Wahl zum Bundeskanzler am morgigen Dienstag nicht durch diese schwierige Personalie belastet sehen. Er will vermeiden, daß die ein oder andere Frau ihm ihre Stimme nicht gibt, weil die Personalie festgelegt ist. Rau werde in den kommenden drei Wochen von der Parteispitze gebeten, heißt es nun.
Ob die Frage der Bundespräsidentschaft noch offen ist? Nein, sagt die designierte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Rau wäre der richtige Mann, weil er das Sinnbild für das Zusammenführen und Brückenschlagen in der Gesellschaft sei. Nein, sagt auch die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles. Rau, so lautet ihre mit abrupter Bitterkeit hervorgestoßene Antwort. Bloß keine weitere Nachfrage. Die Frage doch bitte nicht auf diesem Parteitag stellen, fordert die stellvertretende Parteivorsitzende Heidi Wiezcorek-Zeul.
Man kann zur Zeit bei diesem Thema anscheinend nur in Wunden rühren. Rau selbst hat sich, als er vor Monaten gefragt wurde, ausbedungen, „wenn dann die Frage an mich gestellt würde, die bisher nicht gestellt worden ist, ob ich für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren würde, dann erbitte ich ein paar Tage des Nachdenkens, bevor ich ja oder nein sage“. Daß das Resultat dieses Nachdenkens ein Nein sein möge, darauf richten sich die letzten Hoffnungen Ulla Schmidts und der anderen Frauen, die meinen, daß zumindest eines der Spitzenämter im Staate an eine Frau vergeben werden müsse.
Frauen „springen nicht, wenn Männer wollen“
Die Bundestagsabgeordnete Schmidt, für Gleichstellungspolitik zuständig, hält die Forderung nach einer Präsidentin auch jetzt noch für berechtigt, immerhin hätten die Frauen den Wechsel herbeigeführt. Allerdings sei es „schwer, wenn eine Frau gegen Rau antritt“. Vor allem aber – gegen Rau will keine Frau antreten. Eine Kandidatin würde erst das Feld betreten, wenn er abwinken sollte.
Ein unwürdiges Spiel nennt das eine Spitzengenossin, denn die öffentliche Erörterung seiner Qualitäten für das Amt schadeten Rau. Und dieser Schaden scheint das einzige zu sein, was ihn von einer Kandidatur abbringen könnte. Das weiß der Ministerpräsident a.D. auch, er nimmt die Kommentare und Ablehnungen sensibel auf und schweigt dazu.
Für ihn spricht Däubler-Gmelin: „Wir können uns diese Spekulationen nicht mehr lange leisten.“ Den Frauen, die noch aufbegehren, wird nun vorgehalten, daß sie sich ja ein Spitzenamt hätten sichern können, wenn sie nur gewollt hätten. Zwei Tage lang wurde ihnen der Vorsitz der Bundestagsfraktion auf dem Silbertablett präsentiert, nachdem Lafontaine Rudolf Scharping abserviert hatte. Doch weder Anke Fuchs noch Ingrid Matthäus-Maier mochte zugreifen. Die eine, weil sie sich bereits auf die Vizepräsidentschaft des Bundestages kapriziert hatte, die andere, weil sie einen lukrativen Job in der Wirtschaft in Aussicht hatte. Das findet Ulla Schmidt verständlich. Die Frauen „springen nicht, wenn die Männer wollen“.
Die beiden Männer an der Spitze, aber nicht nur die, wollen Rau. Da werden die Frauen zur Seite treten müssen. Die Frauen der Grünen stehen zu Rau, wenn er nominiert wird, denn das Vorschlagsrecht liegt bei der SPD. Dazu haben sie sich im Koalitionsvertrag verpflichtet. Doch hinter der Hand äußern sie ihren Unmut über das uneindeutige Vorgehen der Genossinnen. Die hätten einen eigenen Personalvorschlag machen müssen, denn die Quote sei kein hinreichender Grund für eine Frau im Schloß Bellevue.
Doch da waren viele, die ins Spiel gebracht wurden, vielleicht sogar sich selbst ins Spiel brachten. Heide Simonis und Renate Schmidt wurden genannt. Der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach wären die größten Chancen eingeräumt worden, auch wenn ihre moderate Art mancher als zu soft erschien. Ein Moderator zu sein, wird wiederum Johannes Rau von seinen Befürwortern als präsidiale Qualität attestiert. Sollte diese zur Geltung kommen, tröstet sich Ulla Schmidt, werde in fünf Jahren eine Frau antreten. Dieter Rulff, Bonn
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