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Krankenkassen vermeiden klare Worte

■ Kassen befürworten Klinik-Spargutachten, ohne konkret zu werden. SPD und Grüne fordern Klarheit. Klinik am Urban scheint gerettet

Die Berliner Krankenkassen haben das umstrittene Klinik- Spargutachten gestern „nachdrücklich befürwortet“. Das Gutachten sei eine „vernünftige Basis für einen neuen Krankenhausplan“, der spätestens bis April 1999 erstellt sein solle, sagte AOK-Chef Rolf Müller, der auch Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Krankenkassenverbände ist. Diese hatte die Expertise gemeinsam mit dem Senat in Auftrag gegeben, um die überdurchschnittlich hohen Kosten in den hiesigen Kliniken zu senken. Die Kassen hatten bislang zu dem Gutachten keine Stellung bezogen.

„Wir stellen uns zunächst hinter die Vorschläge der Gutachter“, sagte Müller, äußerte sich aber nicht konkret zu den vorgeschlagenen Schließungen von sieben Kliniken sowie der Privatisierung aller städtischen Krankenhäuser. Deutlicher wurde er beim Procedere der Krankenhausplanung. Müller forderte, daß der Senat zwei Arbeitsgruppen einsetzen soll, die beide paritätisch von Krankenkassen und Senat besetzt werden: Eine soll die Krankenhausplanung, die andere den Trägerwechsel der städtischen Häuser erarbeiten. Auch der Chef der Kieler Gutachter, Fritz Beske, solle als Berater weiterhin zur Verfügung stehen. Zudem wollen die Kassen die bislang sechs Planungsregionen Berlins zusammenlegen.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), die sämtliche Klinik-Träger vertritt, lehnt „bilaterale Kommissionen von Senatsverwaltung und Krankenkassen“ ab. Die BKG will – wie Ärztekammer, Gewerkschaften und Bezirke – an der Krankenhausplanung beteiligt werden. In der Gesundheitsverwaltung sei die Entscheidung über ein solches Gremium noch nicht gefallen, sagte gestern ihr Sprecher Christoph Abele. Er geht aber davon aus, daß zumindest die BKG neben den Kassen und dem Senat teilnehmen werde. Einen Beirat, an dem alle an der Krankenhausplanung Beteiligten vertreten sind, fordern auch SPD und Bündnisgrüne. „Wir brauchen ein kooperatives Gremium, damit es endlich zu Entscheidungen kommen kann“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl. Anders sei eine schnelle Umsetzung anschließend nicht möglich, stimmte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz, zu. Beide Politiker äußerten sich enttäuscht über die Stellungnahme der Kassen. Sie forderten diese und die Gesundheitsverwaltung auf, sich endlich klar zu positionieren. Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) will sich – anders als geplant – frühestens am 3. November äußern.

Erneut protestierten gestern die von Schließung bedrohten Kliniken gegen die Vorschläge aus Kiel. Vertreter des Urban-Krankenhaus übergaben vor dem Roten Rathaus über 50.000 Unterschriften für den Erhalt ihres Krankenhauses. Rund 18.000 Unterschriften sammelten die Beschäftigten des Krankenhauses Moabit. Im Klinikum Buch und dem Krankenhaus Neukölln demonstrierten Beschäftigte gegen Pläne, die städtischen Krankenhäuser zu privatisieren. Während die Schließung des Urban-Krankenhauses dem Vernehmen nach immer unwahrscheinlicher wird, scheint das Krankenhaus Moabit am schärfsten von der Schließung bedroht zu sein. Für die Zukunft des anthroposophischen Krankenhauses Havelhöhe scheint es gut auszusehen, ebenfalls für das Wenckebach-Krankenhaus in Tempelhof, das mit dem benachbarten Auguste-Viktoria-Krankenhaus fusionieren soll. Sabine am Orde

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