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Besuch bei den Bewohnern der Straße

Seit Anfang der Woche versorgt der Mitternachtsbus wieder jede Nacht obdachlose Menschen. Das Team besteht aus anderen Wohnungslosen und Freiwilligen  ■ Von Elke Spanner

Allabendlich hat Frank eine feste Verabredung. „Zu uns kommt der Bus gegen halb zehn“, sagt der Mann, der seit rund einem halben Jahr auf der Straße lebt. Biegt der „Mitternachtsbus“ auf den Jungfernstieg ein, wo Frank „Platte macht“, stehen er und andere Obdachlose schon bereit und erwarten eine heiße Tasse Tee, etwas zu essen oder ein kurzes Gespräch.

Den Sommer über war der „Mitternachtsbus“ jeden zweiten Abend unterwegs. Seit Anfang dieser Woche fährt er wieder jede Nacht die Treffpunkte von Obdachlosen in der Hamburger City ab. Bereits den dritten Winter ist der Bus des Diakonischen Werkes auf Tour. 54 Männer und Frauen bilden das Team – ehrenamtlich.

Was es bedeutet, keine feste Bleibe zu haben, kennt Projektleiterin Annemarie Knapp aus eigener Erfahrung. Zweieinhalb Jahre lang lebte sie mit ihren beiden Kindern in einer Familien-Obdachlosenunterkunft. 30 Quadratmeter für drei Menschen, und dennoch beschreibt Knapp die 36 Monate als „wunderschöne Zeit“. Denn zuvor hatte die Mutter die Nächte im Schlafsack in einem Park verbracht, während die beiden Kinder bei einer Verwandten untergebracht waren. Ihre Sozialwohnung hatte Knapp damals verloren, als sie eine Umschulung begann und die Kinder wegen ihrer 24-Stunden-Schichten oft bei Verwandten übernachteten. Die Wohnung sei dadurch unterbelegt, befand das Sozialamt und kündigte ihr. Seit drei Jahren nun koordiniert Knapp den Mitternachtsbus. Mittlerweile ist sie die einzige, die für diese Arbeit bezahlt wird. Über 1000 Menschen, so die Schätzung von Pastor Stephan Reimers, verbringen in Hamburg ihre Nächte auf der Straße. Der Mitternachtsbus sei deshalb eine „Institution, die leider noch immer notwendig ist“ – nicht nur, weil er heiße Getränke, warme Klamotten und Schlafsäcke zu den Obdachlosen bringt. „Besonders wichtig ist die kommunikative Seite“, erklärt Frank, wieso er den Bus regelmäßig erwartet. Einerseits könne er mit den MitarbeiterInnen, andererseits mit anderen Wohnungslosen ins Gespräch zu kommen. Nun will er das Projekt selbst unterstützen. Ab kommender Woche wird Frank regelmäßig im Bus mitfahren und andere Wohnungslose betreuen.

Der Mitternachtsbus trägt sich über Spenden. Für dieses Jahr „brauchen wir noch dringend Geld und Sachspenden“, sagt Projektleiterin Knapp. Vor allem Kleider, Schlafsäcke und Decken werden benötigt. Auch müßte das Team durch Männer oder Frauen verstärkt werden, die den Bus fahren können. Er ist von 20 Uhr bis 24 Uhr unterwegs; die meisten Ehrenamtlichen fahren regelmäßig alle zwei Wochen mit. „Ich arbeite tagsüber und habe drei Kinder“, erzählt eine Frau. „Aber abends, wenn der Bus fährt, habe ich Zeit“.

Tel. 30620349, Spendenkonto: Mitternachts-Bus bei der Haspa, BLZ. 20050550, Kto. 1268125083

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