: Niederbremer geht in den Ruhestand
■ Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) entläßt seinen Europa-Staatsrat Günter Niederbremer wegen der „Schwarzarbeiter-Affäre“ / Der künftige Ruheständler „bedauert“ sein Verhalten
Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) machte gestern morgen im Senat nicht viele Worte. Er werde seinen Staatsrat für Europaangelegenheiten, Günter Niederbremer, in den einstweiligen Ruhestand versetzen, sagte Hattig knapp. Ohne weitere Diskussionen beschloß der Senat die Entlassung Niederbremers. Die Sitzung war zuende.
Etwa eine Stunde später kam die Pressemitteilung per Fax. „Mit Herrn Staatsrat Niederbremer habe ich ein eingehendes Gespräch geführt“, teilte Hattig der Öffentlichkeit mit. „Herr Staatsrat Niederbremer bedauert sein Verhalten. Er schließt nicht aus, daß seine künftige dienstliche Handlungsfähigkeit eingeschränkt sein könnte. Die Uneingeschränkte dienstliche Handlungsfähigkeit ist aber sachliche Voraussetzung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ich habe daher in Abstimmung mit dem Senat Herrn Staatsrat Niederbremer in den einstweiligen Ruhestand versetzt.“ Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller soll die Europaabteilung in dieser Legislaturperiode kommissarisch übernehmen. Damit hat Haller seinen Einflußbereich auf Europa erweitert. Der Wirtschaftsstaatsrat ist außerdem Leiter des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Aufsichtsrat der Bremer Investitionsgesellschaft. Daß es neben ihm einen Europastaatsrat geben sollte, hatte Haller ohnehin nie eingesehen.
Bis zum Schluß soll sich Niederbremer gegen seine Versetzung in den Ruhestand gewehrt haben. Die Vorwürfe seien aufgebauscht, verteidigte er sich vor Parteifreunden. Wie berichtet, hatte der Staatsrat zwei Polen illegal mit der Sanierung der Fassade seines Hauses in Denstorf bei Peine beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 5.000 Mark ein. Selbst gegenüber seinen Parteifreunden hatte Niederbremer versucht, die Affäre „als Freundschaftsdienst“ am Wochenendhaus runterzuspielen. Als die taz enthüllte, daß Niederbremer nicht etwa sein Wochenendhaus, sondern sein Mietshaus hatte sanieren lassen, überschlugen sich die Rücktrittsforderungen. Der Staatsrat war nicht mehr zu halten. Ohne die Fraktionssitzung am kommenden Montag abzuwarten, zog Hattig die Konsequenzen.
Als „längst überfällig“ und „folgerichtig“ bezeichnete AfB-Chefin Elke Kröning die Absetzung Niederbremers. „Es wäre wünschenswert, wenn bei politischem Fehlverhalten immer so konsequent gehandelt würde“, lobte sie die Entscheidung des Wirtschaftssenators. Der Senator hatte bereits Ende letzter Woche angekündigt, daß er eine „Entscheidung mit Augenmaß“ fällen werde. Auch die Grünen begrüßen die Entlassung Niederbremers. Damit sei „eine der peinlichsten Personalien der Großen Koalition bereinigt“, sagte Helga Trüpel, Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion. Die Entlassung sei gleichzeitig eine Chance, daß die Bremer Europapolitik „künftig wieder kompetent in Brüssel vertreten wird. Wir hoffen, daß der Senat erkennt, daß die Europapolitik nicht mit Versorgungsfällen wie Meyer Schwinkendorf (SPD) und Niederbremer (CDU) betrieben werden kann.“
Im „Verbindungsbüro der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union“ ging die Arbeit gestern unterdessen weiter, als wäre nichts geschehen. Mitarbeiter Frerichs zur taz: „Für uns ändert sich im Grunde nichts.“
Kerstin Schneider
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