: Zweifelt RWE an Garzweiler II?
Energie-Vorstand Rainer Farnung soll die Wirtschaftlichkeit des Braunkohlelochs in Frage gestellt haben. Folge: RWE demenetiert, Vorstand wird entlassen ■ Aus Berlin Nick Reimer
Ein meterhoher Dinosaurier – zusammengeschweißt aus Stromzählern, Wärmetauschern und Heizungsrohren – stand gestern im kleinen nordrhein-westfälischen Ort Viersen bei Mönchengladbach. Grimmig guckte das Ungetüm in jene Richtung, in der sich schon bald Abraumbagger in die Erde, ein Riesenloch namens Garzweiler II, einfressen könnten. Greenpeace, Vater des Dinos, glaubt jetzt aber, daß es soweit nicht kommen wird. „Wir sehen neue, schwergewichtige Anzeichen dafür, daß RWE Abstand von seinem Projekt nimmt“, sagt Gero Lücking, Energieexperte von Greenpeace.
Lücking beruft sich dabei unter anderem auf den „Fall Farnung“, den der Kölner Stadtanzeiger aufgedeckt hatte. Der Vorstandschef der Essener Energietochter der RWE soll dem damals „Noch- NRW-Wirtschaftsminister“ Bodo Hombach im September eingestanden haben, daß sich das Projekt Garzweiler II wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht lohne, RWE komplett aussteigen will.
„Das ist durch die neue Politik in Bonn auch nachvollziehbar“, erläutert Lücking. Durch eine steuerbedingte Verteuerung von Strom werden nur die effizientesten Kraftwerke im Wettbewerb bestehen können. „Mit einem Wirkungsgrad von über 50 Prozent sind dies nun einmal die Gas- Dampf-Kraftwerke“, so Lücking. Die modernsten Braunkohlekraftwerke kämen aber nur auf einen Wirkungsgrad von 40 Prozent.
RWE-Konzernchef Dietmar Kuhnt sieht das allerdings ganz anders. Eiligst war er nach den Äußerungen von Farnung zu Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) bestellt worden und hatte dementiert: RWE halte natürlich an Garzweiler II fest. Angesichts der Atomausstiegsdebatte sei es geradezu fatal, jetzt auch noch die Braunkohleverstromung in Frage zu stellen. Roland Farnung muß seinen Hut nehmen. „Da niemand den Antrag auf Genehmigung zurückgezogen hat, müssen wir ihn auch weiter bearbeiten“, erklärte hingegen Claudia Fasse, Sprecherin des Düsseldorfer Umweltministeriums zum Fall Farnung. Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) hatte einen Bericht des Münchner Magazins Focus dementiert, nachdem sie sich mit Clement und dem SPD- Landeschef Franz Müntefering bereits auf ein „Ja“ zu Garzweiler geeinigt hätte. „Das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren ist noch nicht entscheidungsreif“, so Höhn. Zwei Problemfelder seien nach wie vor offen: zum einen die „Versickerungsproblematik“, zum anderen die Verträglichkeit des Projekts mit der Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie der EU. „Nicht einmal der Wirtschaftsausschuß des Landtags spricht ab, daß diese Fragen noch behandelt werden müssen“, so Fasse weiter. Wie schnell dies passieren könne, hänge von der Arbeit der Fachaufsicht und der Mitarbeit des Antragstellers ab. Fasse: „Wir können in zwei Wochen durch sein oder erst sehr viel später.“
So lange will die IG Bergbau nicht warten. Sollte die wasserrechtliche Genehmigung für Garzweiler II bis Ende dieser Woche nicht vorliegen, wolle man protestieren, sagte Detlev Fahlbusch, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft. Aktionen bis hin zur Stromabschaltung kündigte Fahlbusch an. „Die Stimmung bei den Bergleuten ist sehr gereizt.“
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