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Warschau zeigt sich von Rot-Grün irritiert

■ Polens Außenminister Geremek kritisiert Bundeskanzler Schröder. Dieser hatte vor Illusionen beim Tempo der EU-Erweiterung gewarnt. Joschka Fischer besucht heute Warschau

Bonn (rtr/taz) – Noch bevor der neue Bundesaußenminister Joschka Fischer heute mittag zu seinem ersten Besuch in Warschau eintrifft, ist es in den deutsch-polnischen Beziehungen zu Irritationen gekommen. Diese sind freilich weniger auf den grünen Minister, sondern auf seine Kollegen aus der SPD zurückzuführen. So zeigte sich der polnische Außenminister Bronislaw Geremek gegenüber der Frankfurter Rundschau beunruhigt über Äußerungen von Bundeskanzler Schröder (SPD) beim EU-Gipfel im österreichischen Pörtschach am Wochenende. Dort hatte Schröder, der am 5. November nach Warschau reist, die Kandidaten für die EU-Osterweiterung vor falschen Erwartungen auf eine schnelle Aufnahme gewarnt, da der Prozeß „schwieriger als bisher angenommen“ sei. Geremek sagte nun, daß er „deutliche Signale“ von der deutschen Außenpolitik erwarte. Jede Unklarheit ziehe unnötige negative Folgen nach sich.

Doch auch eine Äußerung des neuen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Günter Verheugen, dürfte die polnische Regierung nicht gerade beruhigt haben. Zwar versicherte der SPD-Politiker, die rot-grüne Regierung arbeite „mit derselben Entschlossenheit an der Erweiterung der Europäischen Union wie die alte“. Die Vorstellung, daß die Erweiterung etwa bis 2000 abgeschlossen sein könnte, wie Helmut Kohl in Polen gesagt habe, sei aber „vollkommen unrealistisch“. In Polen ist bisher allerdings niemand ernsthaft davon ausgegangen, daß das Land bereits zur Jahrtausendwende Mitglied der Union werden könnte. Gegenüber der FR nannte Geremek die Jahreswende 2002/2003 als „realistischen Beitrittstermin“.

Einen anderen Schwerpunkt setzte dagegen Joschka Fischer. Bei der gestrigen Amtsübergabe im Auswärtigen Amt bezeichnete er die europäische Einigung und die EU-Erweiterung als Hauptaufgaben seiner Politik. Er verwies aber auf „schwierige wirtschaftliche Fragen“, die beachtet werden müßten. „Illusionäre Zeitvorgaben“ könnten Enttäuschung auslösen.

Gestern mittag hatte Fischer seine erste Reise als Außenminister mit einem Besuch in Paris begonnen, wo er mit Außenminister Hubert Védrine und Premierminister Lionel Jospin zusammentraf. Von Paris aus wollte er weiter nach London und Warschau fliegen. her

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