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Telekom: Ein Herz für Quasselstrippen

■ Der Telefonriese reagiert auf abwandernde Kundenscharen: Bei den Ferngesprächen will die Deutsche Telekom ab Januar die Preise mehr als halbieren. Ein besonderer Tarif soll auch die Nutzung des Internets deutlich verbilligen

Berlin (taz) – Vieltelefonierer können zu Silvester die Sektkorken mit besonderer Freude knallen lassen: Die Deutsche Telekom wird ab Januar ihre Tarife drastisch senken. Ferngespräche sollen nur noch etwa die Hälfte kosten, so gestern der ehemalige Staatskonzern – wieviel genau und bei welchen Entfernungen, wird allerdings noch nicht bekanntgegeben. Die Bild-Zeitung meldete gestern Reduzierungen um 63 Prozent, was von der Telekom nicht dementiert wurde.

Auch die Internet-Tarife im Ortsbereich will die Telekom senken: Wer künftig den „Optionstarif“ wählt, zahlt eine etwas höhere Grundgebühr und kann dafür mit „wesentlich günstigeren Verbindungspreisen“ zum Internet rechnen, meldete gestern dpa unter Berufung auf Informanten aus dem Konzern.

„Wir wollen so schnell wie möglich einen detaillierten Antrag bei der Regulierungsbehörde stellen“, so Telekom-Sprecher Stephan Althoff. Weil die Telekom AG als marktbeherrschend gilt, muß sie sich neue Preise vom Staat genehmigen lassen. Der Bescheid läßt sich jedoch innerhalb von wenigen Wochen einholen. Zuerst werden wohl die ISDN-Besitzer weniger bezahlen müssen. Die anderen Anschlüsse sollen folgen, brauchen aber aus technischen Gründen eine etwas längere Umstellphase.

Mit der Gebührensenkung wird die Telekom schlagartig zu einem der billigsten Anbieter bei Gesprächen über 50 Kilometer. Sie will damit den wachsenden Schwund an Kunden auffangen. Laut der Bonner Regulierungsbehörde hatten die Telekom-Konkurrenten bei Ferngesprächen Mitte des Jahres einen Marktanteil von zwölf Prozent. Gestern legte der rosa Riese wie zur Bestätigung seine Geschäftszahlen für die letzten neun Monate vor. Bilanz: Der Umsatz stagnierte im dritten Vierteljahr bei 17 Milliarden Mark, obwohl pro Kopf immer mehr telefoniert wird. Der Gewinn nach Steuern stieg aber trotzdem um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 1,05 Milliarden Mark. „Da macht sich bemerkbar, daß wir Verluste in Bereichen wie Kabelfernsehen, Telefonzellen und Auskunft angegangen sind“, so Sprecher Althoff. Und auch die sinkenden Beschäftigtenzahlen bringen Geld. Derzeit sind noch 184.100 MitarbeiterInnen bei der Telekom beschäftigt, 11.200 weniger als vor einem Jahr.

Mit den neuen Preissenkungen wird es mit den regelmäßigen Gewinnsteigerungen erst einmal vorbei sein. Doch hat die Telekom noch erheblichen Manövrierraum. So hat sie innerhalb der vergangenen zwölf Monate ihren Schuldenstand wieder um 6,5 Milliarden auf 84,9 Milliarden Mark abgebaut.

Wo sich die Kunden freuen, wird das Profitmachen für die Konkurrenzanbieter nun viel schwieriger. Neue Kundschaft durch Billigangebote auf ihre Seite zu ziehen erfordert nun neue Tiefstpreise – und das könnte manchen an die Substanz gehen. Nur einer freut sich derzeit über die Telekom: der Shooting-Star Mobilcom. Er ist zwar nicht der Billigste, aber der Frechste. In einer bundesweiten Kampagne hat er die Anzeigen der Telekom kopiert und sogar einen Doppelgänger für TV-Serienheld Manfred Krug engagiert. Die Telekom erwägt eine Klage und buchte sofort eine millionenschwere Gegenkampagne, die auf die teuren Kurzstreckentarife des Konkurrenten hinweist. Doch nach dem Motto „Viel Feind', viel Ehr'“ freut sich Mobilcom-Chef Gerhard Schmid diebisch über diese Gratis-Publicity: „Die über Mobilcom geführten Gesprächsminuten hatten sich am vergangenen Sonntag innerhalb einer Woche um 30 Prozent erhöht.“ Reiner Metzger

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