piwik no script img

„Korruptes unmenschliches System“

■ Augenzeuge in Sierra Leone: Noch nach Jahren des Bürgerkriegs fürchten Gegner der Regierung Verfolgung als Anhänger von Rebellen

Ich lebe in einem Klima ständiger Gewalt, in dem ungeklärte Tötungsfälle immer häufiger werden. Die andauernde Katastrophe in diesem Land, genannt Rebellenkrieg, ist in Wirklichkeit eine politische Täuschung, geschaffen und am Leben gehalten von Menschen, die keinen Frieden wollen, weil die Abwesenheit von Frieden untrennbar mit ihrem Machterhalt und der Fortdauer eines abnormal korrupten und unmenschlichen Systems verbunden ist.

Sierra Leone ist in einen Zustand geschlittert, wo die Trennung zwischen Leben und Alptraum immer kleiner und der Unterschied zwischen Leben und Sterben immer unwesentlicher wird. Ende 1993 eroberten Aufständische der sogenannten Revolutionären Vereinigten Front (RUF) nach einem mächtigen Angriff die wichtige Stadt Kono im östlichen Sierra Leone. Mein Vater war ein Farmer in Kono, und ich hatte ihn aus der Hauptstadt Freetown besucht. Wenig später wurde ich verhaftet und verbrachte ein Jahr im Gefängnis. Ein riesiges Suchnetz der Regierung war in Bewegung, in dem Hunderte angeblicher Rebellenspione gefangen und in Internierungslager gesperrt wurden, wo einige von ihnen starben.

Später versuchte ich, vom Informationsministerium meine Akte zu bekommen, die jedoch im Hauptquartier der Staatssicherheit verlorengegangen sein soll. Der Informations- und der Verteidigungsminister gaben beide Vergeßlichkeit vor, bis sie nach beständigen Bemühungen meine Verhaftung zugaben, jedoch darauf hinwiesen, daß ich schon wieder freigelassen worden war. Seit meiner Freilassung aus dem Todeslager in Pademba Road bin ich mittellos, und als gesuchter Mann und Dissident bin in ich einem Zustand völliger Unsicherheit und Angst um mein Leben. Alimany S.

Der Autor (Name und Anschrift der Redaktion bekannt) lebt in Sierra Leones Hauptstadt Freetown und richtete diesen „Hilferuf“ an die taz.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen