Topwein von den Fundis

Vorbei die Zeiten, als sich nach einem Schluck Ökowein Ekel einstellte. Viele Biowinzer sind heute international Spitze. Im Burgund dominieren sie schon, bei uns bekommen sie Lorbeerkränze geflochten  ■ Von Eberhard Schäfer

Weihnachten wurde letztes Jahr bei Rita und Clemens Busch vorgezogen. Die Bescherung: Bei der regionalen Konkurrenz des Ökowinzer-Verbandes „Ecovin“ belegten Busch-Erzeugnisse die beiden vordersten Plätze. Kurz darauf folgten gar allerhöchste Ehren für das Winzerpaar aus dem Moseldorf Pünderich: der zweite Platz beim Wettbewerb um den Deutschen Rieslingpreis, den die Zeitschrift Feinschmecker alljährlich auslobt. Die trockene Spätlese aus dem 96er Jahrgang, gewachsen auf den Felsterrassen der Spitzenlage Pündericher Marienburg, hatte die Jury begeistert.

Wie die Buschs dürfen derzeit eine Reihe von Ökowinzern ein bißchen Lametta an ihre Flaschen hängen. Toskanamigrant Fritz Croissant heimst mit seinen schweren Roten regelmäßig Auszeichnungen ein. Die trockenen Rieslinge des Rheinfrontflaggschiffs Heyl zu Herrnsheim stehen in der Luxushotelkette Hyatt auf der Weinkarte, und Sommelierweltmeister Markus del Monego erklärte jüngst den Silvaner des Hauses Herrnsheim zu einem seiner Favoriten.

So erinnert der Werdegang mancher Winzer augenfällig an die Karriere der Ökopaxpartei. Passé die Zeit der Fundamentalopposition vieler Produzenten, die saure statt trockene Weine kelterten oder mit schwefelfreiem Wein experimentierten und dabei zwar gesunde, geschmacklich aber oft ungenießbare oder belanglose Produkte hervorbrachten.

Unversehens steigen Bioerzeuger zu Szenestars auf. Die Gewächse einstiger Latzhosenträger finden sich heute auf den Listen der hundert besten Weine der Welt und auch immer öfter in diversen Weinführern – und sie erzielen Höchstpreise. Für ein Fläschchen 95er Öko-Grand Cru Musigny vom Weingut Leroy in Burgund muß man tausend Mark hinlegen.

Astronomische Preise bis zu tausend Mark pro Flasche werden indes nur für epochale Geschmackserlebnisse gezahlt. Da haben Ökoweine gute Karten – geschmacklich allemal. Ökologisch angebaute Rebstöcke wurzeln tiefer. Konventionelle tun sich gleich an der Erdoberfläche am Kunstdünger gütlich, der sie zusätzlich mit Wasser vollpumpt. Werden die Wurzeln nicht von oben gemästet, stoßen sie in tiefere Erdschichten vor. So kann der Boden den Wein stärker prägen, somit das „Terroir“, jenes spezifische Zusammenspiel aus Boden, Klima und Lage, besser im Weingeschmack abbilden.

Ein auf Schieferboden gewachsener Riesling hat dann neben den Fruchtaromen eine leicht mineralische Schiefernote. Nur so sind wirklich individuelle Weine erzielbar. Aber lediglich eine geschickte Hand im Keller vermag dem Wein den Terroircharakter auch tatsächlich mitzugeben. „Viele Winzer zerstören das Potential, das ihre Weine eigentlich haben“, sagt Stuart Pigott, als professioneller Kritiker einer der Kenner des deutschen Weins. Das klassische Land der Terroirweine ist Frankreich – wohl ein Grund dafür, daß dort der qualitätsbewußte Ökoanbau am weitesten fortgeschritten ist. Nicolas Joly ist einer der bekanntesten Biowinzer.

Der „Magier von der Loire“ beackert seinen berühmten Weinberg La Coulée de Serrant seit 1980 nach Bioprinzipien. Wenn er nicht gerade hinter dem Pferdepflug im Weinberg ackert, jettet der ehemalige Finanzmanager durch die Welt, um seine zuweilen skurril anmutenden Praktiken zu verkünden. Da werden mistgefüllte Kuhhörner im Rebhügel vergraben und nach Monaten wieder ausgebuddelt, um das derart veredelte Mistpulver zwischen die Rebzeilen zu streuen. Kurios, doch der weltweite Erfolg gibt Joly recht.

Zuweilen erfolgt der Umstieg auf Ökoanbau nicht ganz freiwillig. Jahrzehntelange Intensivbewirtschaftung mit Kunstdünger, Kupfer und Pestiziden hat im Burgund die Böden ausgelaugt. Das Terroir war zerstört, den Weinen fehlte Ausdruck und Komplexität. Fast zwangsläufig mußte umgesteuert werden. Ergebnis der Ökobodenreform: Die Region wird inzwischen von einer Biokoalition angeführt, die aus den gerühmten Gütern Leroy, Leflaive und Romanée-Conti besteht.

Auch andere Branchenführer haben auf naturnahe Bewirtschaftung umgestellt oder zumindest die Begrünung im Weinberg übernommen. Freilich käme ein Bordeauxweingut nie auf die Idee, mit dem „Bio“-Ticket zu werben.

Auch aus gesundheitlichen Gründen mußten viele Winzer umstellen. Sie hatten Hautausschläge, Schutzkleidung und chemische Keule satt. So meint Michael Burgdorf, Betriebsleiter des Weinguts Freiherr Heyl zu Herrnsheim, dem in Nierstein Teile des einzigartigen Roten Hangs gehören: „Für mich und meine Mitarbeiter ist es schöner, wenn wir statt Gift Kräuteressenzen benutzen. Das riecht nach Hustenbonbons, hält die Atemwege frei.“

Für die Biowende in Deutschland war 1983 ein wichtiges Jahr. Die chemische Industrie hatte das Pflanzenschutzmittel „Orthen“ entwickelt – mit dem Ergebnis, daß der Wein einen leichten Odeur nach Stinkesocken verströmte. Das reichte vielen. Die Giftspritze kam in die Kammer, die Hacke wurde reaktiviert.

Doch auch Ökoweinanbau ist kein Balsam für die Natur. Rebland ist immer eine Monokultur. Vor allem der Einsatz von Kupfer, nötig zur Bekämpfung des Pilzbefalls, macht Probleme. Immerhin: Die deutschen Ökoweinverbände begrenzen den Kupfereinsatz auf jährlich drei Kilogramm pro Hektar. Soviel bringen konventionell arbeitende Winzer schon fast bei einer Anwendung aus. Ökowinzer Randolf Kauer, im Nebenerwerb am Mittelrhein Erzeuger feiner, eleganter Rieslinge, lehrt im Hauptberuf Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Er glaubt, daß mittelfristig biologischer Ersatz für Kupferspritzungen entwickelt werden kann.

Nicht minder wichtig ist Kauer die „Hefefrage“. Die für die Gärung benötigten Hefen werden von international operierenden Firmen verkauft, „da weiß man nicht, ob genmanipuliert wird“. Außerdem: „Die Einheitshefe macht den Terroircharakter kaputt.“ Kauer hält zugekaufte Reinzuchthefen für überflüssig. Er nutzt weinbergseigene Hefen, die sich auf den Beerenhäuten bilden. „Die Gärung fängt dann von alleine an.“

Auf eine saubere Gärung hoffen Clemens und Rita Busch für ihre Rieslinge, aber vor allem hoffen sie auf trockenes Wetter. Der Moselwettbewerb des Ecovinverbandes für die 97er Weine ist bereits gelaufen. Erster und zweiter Preis gingen wie im Vorjahr nach Pünderich.

Literatur: Nicolas Joly – Beseelter Wein, Hallwag Verlag, Stuttgart 1998, 180 S., 39,80 Mark