Feind der Feindbilder

■ Wider den beschränkten Blick: das Literatur-Symposium „Islam und Moderne“

Den Titel muß man genau lesen: „Es heißt nicht Islam oder Moderne“, betont Ursula Keller. Weil sich aber die VertreterInnen beider Kulturen derzeit lediglich „Feindbilder an den Kopf werfen“, erläutert die Programmleiterin des Literaturhauses, „ist es höchste Zeit, etwas dagegen zu setzen: Wissen.“ Unter dem Titel „Islam und Moderne“ lädt das Haus an vier Abenden in der kommenden Woche zu einem Symposium mit arabischen und deutschen DichterInnen und WissenschaftlerInnen.

„Zwei Sichtweisen auf den Islam herrschen bei uns vor“, erläutert Keller. Eine betrachte ihn als „Negativabdruck“ unserer Gesellschaft – „was ihn auszeichnet ist, was ihm fehlt: Der Islam ist rückständig, antisubjektiv und geschichtslos.“ Die andere Sichtweise entdecke verzückt all jenes, was uns fehlt und verkläre den Islam, statt ihn zu verstehen. Die Urheber dieser Vereinfachungen und Projektionen säßen in Wissenschaft, Medien und Politik.

„Wir haben dagegen Dichter eingeladen, die in beiden Kulturen leben“, betont Keller. Der syrisch-libanesische Dichter Adonis etwa fordert „einen Nietzsche, der die erstarrten Prinzipien der arabisch-islamischen Kultur zerstört und neue sichtbar macht“. Raschid Boudjedra, der als einer der bedeutendsten Autoren des modernen Maghreb gilt und zwischen Algier und Paris pendelt, ist ein leidenschaftlicher Bekenner der Moderne – und kritisiert doch ihre Lebensbedingungen ebenso rabiat wie die „Gotteswahnsinnigen“ und die „diktatorische algerische Regierung“. Seit 1993 lebt er versteckt oder von Leibwächtern bewacht und trägt immer eine Pistole und eine Kapsel Zyankali bei sich.

Denn die Ignoranz geht nicht nur vom Westen aus, räumt Keller ein. In islamischen Gesellschaften dämonisierten Fundamentalisten die Moderne: Sie sei beherrscht von krassem Materialismus, ohne Gemeinschaftssinn und dekadent. Ob und wie eine islamische Moderne trotzdem möglich ist, erörtern deutsche und arabische Wissenschaftler auf einer Podiumsdiskussion am Dienstag. Einen direkten Blick in islamische Länder bietet noch bis Ende November die Fotoausstellung „Fatima“ von Daniel Schwarz.

„Aufklärung ist der größte Feind der Feindbilder“, hofft Keller auf die Wirkung des Symposiums, das im Frühjahr fortgesetzt wird. Ein Umdenken sei notwendig – nicht zuletzt, weil auch in Deutschland rund 2,5 Millionen MuslimInnen leben: „Wir können uns unseren beschränkten Blick nicht mehr leisten.“

Heike Dierbach

Montag bis Donnerstag, 20 Uhr, Literaturhaus. Tel.: 220 00 07