: Die übermächtige Lärmmaschine
■ Die brutalen Bremer Mörser durchbrechen heute sämtliche musikalischen Grenzen im Rahmen des „North-Core-Festivals“ im Jugendfreizeitheim Farge
Der Name von Bremens brutalster Gitarrenband paßt wie die Faust aufs Auge: Mörser heißt ein Konglomerat von bis zu acht Musikern, das sich der Aufgabe verschrieben hat, Dampfwalzen wie eine kleine Nachtmusik und John Zorn wie einen müden, alten Pop-Opa klingen zu lassen.
Wie bei vielen anderen sind elektrisch verstärkte Gitarren die Grundlage dessen, was Mörser unter dem Deckmantel Musik auskochen. Aber schon das Line-Up ist ungewöhnlich: Zwei Bässe, drei Sänger, dazu Schlagzeug und Gitarre. „Das hat keinen konzeptuellen Hintergrund außer daß ich gerne mal was mit zwei Bässen machen wollte“, erinnert sich Matze, einer der beiden Bassisten, an die Gründungstage Febraur 1996. „Wir waren einfach sehr viele Leute und hatten Lust, zusammen zu spielen. Der Sound, der dabei rauskommt, ist natürlich etwas ungewöhnlich.“
Wobei das eine höfliche Umschreibung ist für den strukturierten Lärm auf dem Mörser-Debütalbum „Two Hours of Doom“ aus dem Jahre 1997 und für die Geschwindigkeitsgewitter, die die Truppe bei Konzerten entfesselt. Mörsers Sound beginnt irgendwo im Metal. „Wir hören Sachen wie Crowbar oder Pantera, die gar nicht wie Mörser klingen. Oder auch mal Depeche Mode,“ sagt Matze. „Aber Slayer ist eigentlich unser gemeinsamer Nenner.“
Vor allem die älteren Stücke sind oft aus dem Durcheinanderspielen im Übungsraum entstanden. Dann verdichten Mörser in einem langwierigen Prozess des Songschmiedens die so entstandenen Ideen zu einem durchstrukturierten Ganzen. Eine Vielzahl von eigenständigen Elementen finden sich, fast bis zur Unkenntlichkeit komprimiert, in einer Minute Musik wieder. Ein festes Rhythmuskorsett aus Bass und Schlagzeug gibt den frei flutenden Krachattacken den notwendigen Halt, auch wenn zwischen Zeitlupen-Beats und Ultraschall alle Tempi durchlaufen werden. Dazu kreischen immer zwei bis drei verschiedene Stimmen. Aber eine echte Chance hat der Faktor Mensch mit seinem hilflosen Brüllen nicht gegen die übermächtige Lärmmaschine.
Selbstredend versteht man in dem Getöse von den Texten kein Wort – leider, denn auch die machen Mörser zu etwas Besonderem. In einer einzigen durchzechten Nacht beim Zug durch das Viertel entstanden die Texte für die ganze LP. „Wir hatten gezecht, und uns fiel ein Lied nach dem anderen ein. Wir konnten gar nicht aufhören,“ sagt Matze. Eine Kostprobe aus „79 Minuten Hölle“: „Letztens habe ich die Hölle gesehen/ Alles war schwarz-weiß/ Und überall wurde nur geflüstert ...“
Derzeit haben die Krach-Konstrukteure eine Split-Single mit den Amerikanern „Swan“ in Arbeit. Ende Februar wollen sie neues Material aufnehmen – dann aber in Englisch. „Schließlich entwickeln auch die Sänger sich weiter,“ sagt Matze. Auch wenn es am Ende niemand raushören kann.
Lars Reppesgaard
Mörser spielen am Samstag beim North-Core-Festival im Freizi Farge zusammen mit 14 anderen Bands. Das weitere Programm: Freitag ab 18.30 Uhr, die Hardcorebands Forced Into, Highscore, Hold Regained und Sunburnscold, Samstag ab 14.30 Uhr, Mörser die Bands Force of Change, Trovidence, Minnion, Heisenberg, Rusty James, Reiziger, Linsay, Leave 2231, Enfold und H-Street.
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