: Schoeps gegen Mahnmal
■ Der deutsch-jüdische Wissenschaftler lehnt Hierarchisierung von Opfergruppen ab
Potsdam (dpa) – Gegen ein Holocaust-Denkmal der Bundesrepublik in Berlin hat sich der deutsch- jüdische Wissenschaftler Julius H. Schoeps ausgesprochen. „Es geht nicht an, daß die Nichtjuden den Juden ein Denkmal setzen“, sagte er am Freitag vor Journalisten in Potsdam. Wenn Nichtjuden der Opfer des Nationalsozialismus gedächten, müßten sie aller Opfer gedenken. Eine Hierarchisierung der Opfergruppen dürfe es nicht geben. Er könne sich nur ein nationales Mahnmal für alle Opfer vorstellen. „Deutschland muß sich der Geschichte als Gesamtheit stellen“, sagte Schoeps, der das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam leitet. Er betonte, er sei froh, daß in dieser Frage durch den Regierungswechsel etwas in Bewegung geraten sei.
Ein nationales Mahnmal könne nicht vom Senat von Berlin oder einem privaten Förderverein realisiert werden, es müsse eine Aufgabe der Bundesrepublik sein. Zudem brauche das Projekt die Legitimation des Bundestages. Schoeps sagte, er habe große Schwierigkeiten mit der Idee, in Berlin ein Holocaust-Museum zu errichten. Diese Funktion könne das Jüdische Museum erfüllen. Sinnvoller sei es zudem, Originalschauplätze in Deutschland wie die Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück sowie die Wannseevilla und die Ausstellung „Topographie des Terrors“ in Berlin zu erhalten.
Ferner forderte er die deutschen Banken auf, sogenannte herrenlose jüdische Konten aus der Zeit des Nationalsozialismus offenzulegen: „Der Ärger kommt bestimmt, es wäre vernünftiger, diesen Schritt jetzt zu tun.“ Schoeps erwähnte in diesem Zusammenhang namentlich die Deutsche Bank und die Dresdner Bank. Bei 550.000 Juden im Jahre 1933 in Deutschland könne nach seiner Schätzung von mindestens 100.000 Konten ausgegangen werden. Die Bundesrepublik habe zwar im Gegensatz zur DDR Wiedergutmachung gegenüber den Juden geleistet, doch Individualansprüche seien bis heute nicht geregelt.
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