: Schröder lenkt bei Jahreswagen ein
■ Erst die Bauern, nun die Autobauer - bei der Steuerreform will die SPD nun doch einige Steuervergünstigungen beibehalten. Wie diese Deckungslücken geschlossen werden sollen, sagt die SPD aber nicht. Die
Bonn (taz/dpa) – Die von der Regierungkoalition vereinbarte Steuerreform bröckelt immer mehr. Von Seiten der SPD wurden einige Maßnahmen, die zur Finanzierung der Bruttoentlastung von 54 Milliarden Mark dienen, wieder in Frage gestellt. Grüne Spitzenpolitiker reagierten verärgert auf diese Ankündigungen.
So lenkte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag auch bei der Jahreswagen-Besteuerung ein. Beschäftigte von Automobilfirmen können jedes Jahr zu günstigen Konditionen einen Neuwagen erwerben. Auf eine stärkere Besteuerung der Arbeitnehmerrabatte auf diese Jahreswagen soll jetzt wieder verzichtet werden.
Den Bauern hatte Schröder bereits zuvor über seinen Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) zugesichert, den geplanten Abbau ihrer Steuervergünstigungen zu entschärfen. Das Finanzministerium teilte außerdem mit, vorläufig sei nicht an eine Umwandlung der Kilometerpauschale für Autofahrer in eine Entfernungspauschale auch für die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel gedacht.
Die Grünen protestierten. „Die SPD betreibt ein äußerst gefährliches Spiel“, erklärte der Vorsitzende der baden-württembergischen Landtagsfraktion Fritz Kuhn. Er akzeptiere solche Streichungen nur, wenn die SPD zugleich Deckungsvorschläge mache. Auch sei Schröders Initiative zur Jahreswagenbesteuerung steuersystematisch falsch. Denn grundsätzlich würden untere Einkommen entlastet und es sei nicht vermittelbar, daß jemand Vergünstigungen erhalte, nur weil er Autos und nicht Kühlschränke produziere. Wenn die SPD so weitermache, komme zum Schluß nur eine Bonsai-Steuer raus.
Schröder hatte erklärt, er sei sich mit Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) einig, daß die Verschärfung der Jahreswagenbesteuerung im Zuge der Steuerbehandlung der Arbeitnehmerrabatte „den Zielen unserer Steuerreform widerspricht. Das werden wir ändern“, sagte der Bundeskanzler in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Schröder?“. Weitere Nachbesserungen wie für den Mittelstand würden notwendig werden. Viele Fragen hätten noch nicht ausreichend geklärt werden können.
Kuhn, der auf Seiten der Grünen die Verhandlungen zur Steuerreform geführt hatte, warnte Schröder, mit solchen Vorfestlegungen Politik zu machen. Damit würde sich die SPD selbst in Sachzwänge begeben. Denn die Streichungen der Vergünstigungen seien das rechnerische Fundament der Entlastungen bei der Steuerreform gewesen.
Vor Tagen hatte bereits der Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen Rezzo Schlauch erklärt: „Das Steuerpaket bleibt zu.“
Auseinandersetzungen drohen auch um die Umwandlung der Kilometer- in eine Entfernungspauschale. Ein entsprechender Prüfauftrag war im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Nun erklärte das Finanzministerium, die Umwandlung werde nicht im Zuge der anstehenden großen Steuerreform kommen. Die Kilometerpauschale von derzeit 70 Pfennig sollte kostenneutral umgewandelt werden. Das hätte einer Entfernungspauschale von 60 Pfennig entsprochen. Mit der Forderung nach einer Kürzung dieses Betrages, um eine Nettoentlastung zu erreichen, hatten sich die Grünen nicht durchsetzen können. Die Kilometerpauschale gilt als mißbrauchsanfällig. Experten schätzen, daß sie Steuerausfälle von sechs Milliarden Mark produziert. Die Bareis-Kommission, die 1994 ein erstes Konzept zur Reform der Einkommenssteuer vorgelegt hatte, hatte sich lediglich für die Beibehaltung einer Entfernungspauschale von 20 Pfennig ausgesprochen .
Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits die Einschränkungen beim Abbau von Steuervergünstigungen für die Landwirte im Umfang von 1,2 Milliarden Mark gerügt. Funke sagte, er verlasse sich auf die Zusage Schröders, die Sonderregeln aufrechtzuerhalten. dr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen