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FC St. Pauli versinkt im Chaos

Aufsichtsräte, Schatzmeister und Kassenprüfer zurückgetreten: Verein steht vor dem Konkurs und Präsident Weisener ganz allein  ■ Von Eberhard Spohd

Ohne Konzept, ohne Führung, uneins und vor allem pleite – der FC St. Pauli steht vor dem Kollaps. Sechs Rücktritte auf und nach der Jahreshauptversammlung in der Handwerkskammer am Freitag abend geben ein beredtes Bild davon ab, wie desolat der Club vom Millerntor ist.

Vor allem die Amtsniederlegung des Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Apel erbost viele Mitglieder. Der ehemalige Bundes-Finanzminister hatte seinen Verbleib an das Abstimmungsergebnis über die Umbenennung des Wilhelm-Koch-Stadions in „Stadion am Millerntor“ geknüpft. „Sollte es umgetauft werden, werde ich meinen Posten niederlegen“, verkündete er.

Mitglied Ronny Galczynski hatte beantragt, die Arena wegen der Mitgliedschaft des ehemaligen Präsidenten Wilhelm Koch in der NSDAP umzutaufen und so „eine Signalwirkung“ für die politische Ausrichtung des Vereins zu erreichen. Zudem dürfe ein öffentlicher Bau in Hamburg nicht den Namen eines NSDAP-Mitgliedes tragen, argumentierte Uwe Doll, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder (AGiM) des Vereins. „Wir wollen nicht die Verdienste Kochs schmälern, sondern nach außen ein Zeichen für die Zukunft setzen.“

Das wurde vor allem von älteren Mitgliedern nicht akzeptiert. Die Leistung des Funktionärs, der den Verein von 1931 bis 1945 und von 1947 bis 1969 geführt hat, seien höher zu bewerten als seine „äußerst passive Mitgliedschaft“ in der Nazipartei.

Als jedoch Apel seine Funktion im Club an den Namen der Spielstätte gekoppelt hatte, wurde aus der Abstimmung ein Mißtrauensantrag gegen den Aufsichtsrat. Apel verlor, denn die Mehrheit votierte für die Umbenennung des Stadions. Am Sonnabend erklärten daraufhin die Aufsichtsräte Apel und Hans Grutschus offiziell ihren Rücktritt. Außerdem verzichteten Michael Böcken und Georg Kuhr auf ihre Ämter.

Wichtigste Aufgabe ihrer Nachfolger dürfte sein, sich mit dem finanziellen Desaster des Vereins zu befassen. „Die fehlende Liquidität“, gab Clubchef Heinz Weisener zu, „macht eigentlich den Gang zum Konkursrichter notwendig.“ Grund genug auch für Robert Ahrens, kommissarischer Vizepräsident und Schatzmeister des Vereins, seinen Rückzug bekanntzugeben. Er kandidiere nicht erneut für diese Ämter, erklärte er der überraschten Jahreshauptversammlung, da er nicht die Führung einer Institution übernehmen wolle, die eigentlich Konkurs anmelden müsse. Auch Vereins-Kassenprüfer Guntram Uhlig, der ursprünglich für den Aufsichtsrat kandidieren wollte, zog vor der Wahl zurück.

Präsident Heinz Weisener bleibt somit allein zurück.

Weiterer Bericht Seite 28

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