: Das Skelett eines Deals
■ Charles Barkley glaubt, daß es diese Woche zu einer Einigung im Arbeitskampf der Basketball-Liga NBA kommt. Heute wird weiterverhandelt
Berlin (taz) – Wenn Chucky Brown den Spruch vom „Streik der Millionäre“ hört, wird er ziemlich sauer. Zum einen streiken die Basketballer der Profiliga NBA nicht, sondern sie wurden von den Klubbesitzern ausgesperrt, zum anderen gehört der Spieler der Atlanta Hawks mitnichten zu den vielgeschmähten Großverdienern der Liga. „Ich bin einer jener Typen von 8 bis 12“, sagt er – Spieler also, die in jedem Match für ein paar Minuten zum Einsatz kommen und von denen Charles Barkley sagt, sie seien dazu da, auf der Bank zu sitzen, den Mund zu halten und sich zu freuen, daß sie überhaupt einen Job in der NBA haben. Brown verdient den Mindestlohn von 272.250 Dollar pro Saison, ist also keineswegs ein armer Schlucker, aber dafür, daß er in der florierendsten Sportorganisation der Welt tätig ist, dennoch relativ bescheiden bezahlt. „Deshalb brauche ich eine Gewerkschaft, die für mich kämpft“, sagt der 30jährige, und er hofft, daß die Jordans, Malones und Ewings, die auf Gewerkschaftsseite mit den NBA-Bossen verhandeln, bei den Gesprächen, die heute weitergeführt werden, seine Belange nicht vergessen.
Ähnlich wie Brown geht es inzwischen fast 40 Prozent der Akteure in der NBA, die mit dem Mindestgehalt vorliebnehmen müssen. Der vielzitierte NBA- Durchschnittslohn von 2,6 Millionen Dollar kommt zustande, weil ein kleiner Kreis von Superstars horrende Gehälter kassiert. 33 Millionen erhielt Michael Jordan in der letzten Saison, 20 Millionen Pat Ewing. Das Faß zum Überlaufen brachten jedoch Verträge wie der des jungen Kevin Garnett, welcher in Minnesota 126 Millionen Dollar für sieben Jahre einstreicht.
Nachdem eingetreten ist, was NBA-Commissioner David Stern bei Abschluß des letzten Arbeitsvertrages 1995 noch weit von sich wies, nämlich die Teilung der Liga in absolute Großverdiener und eine größer werdende Schar von Mindestlohnbeziehern, wollen beide Seiten diesen Zustand beenden. Die Spieler respektive deren mächtige Agenten durch komplette Aufhebung der salary cap, die Besitzer durch ihre drastische Verschärfung. Letztere kündigten den Arbeitsvertrag von 1995, sperrten die Spieler seit Anfang Juli aus, haben dadurch bislang 100 Millionen Dollar an Gehältern gespart und sagten die ersten vier Wochen der Saison 98/99 ab, die morgen beginnen sollte. Sie täuschten sich jedoch in der Stärke der Gewerkschaft, die sich erstmals in einer solchen Situation einig und entschlossen präsentierte und das Muskelspiel der Bosse kühl konterte. 240 Spieler bekundeten bei einem Treffen in Las Vegas ihre Bereitschaft, einen längeren Arbeitskampf durchzustehen.
Die Situation ist nicht ohne Komik. Da sitzt am Verhandlungstisch zum Beispiel Patrick Ewing, der Gewerkschaftspräsident, mit Dave Checketts, Besitzer der New York Knicks, jenem Mann gegenüber, der ihm seinen Vierjahresvertrag über 68 Millionen Dollar gab. Nun verlangt Checketts, daß Ewing einem Abkommen zustimmt, welches ihn, Checketts, daran hindert, ihm noch einmal soviel Geld zu zahlen.
Lustigerweise ist die Gewerkschaft dazu sogar bereit. Nachdem sie lange Zeit jedes Kratzen an den Löhnen abgelehnt hatte, kam sie vor zwei Wochen mit dem bahnbrechenden Vorschlag einer Luxussteuer von 50 Prozent auf Gehaltsbeträge, die 18 Millionen Dollar pro Saison übersteigen. Ewings Gehalt wäre nach derzeitigem Stand – wegen der Aussperrung gab es noch keine Vertragsverhandlungen – das einzige, das dieses Kriterium erfüllt. Viel zuwenig für Stern & Co., trotzdem wies der Vorschlag den Weg zum Kompromiß. Die NBA akzeptiert inzwischen das Konzept einer Luxussteuer zwecks Abschreckung, will den Grenzwert aber wesentlich tiefer, den Steuerbetrag höher ansetzen. Außerdem möchten die Besitzer eine Regelung, die greift, wenn es durch die Steuer nicht gelingt, den Gehaltsanteil am basketballbezogenen Einkommen der Klubs auf 50 Prozent zu senken. Dann nämlich sollen die Spieler selbst eine Steuer in einen Fonds entrichten, aus dem finanzschwächere Klubs unterstützt werden. Die Gewerkschaft hat dieses Vorgehen grundsätzlich akzeptiert.
„Basketballbezogenes Einkommen“, wohlgemerkt, sind die Einnahmen der einzelnen Klubs, nicht etwa die der Liga NBA durch ihre gewaltigen TV-Verträge oder das Merchandising. Letzteres bringt fast 4 Milliarden Dollar pro Jahr, die Spieler bekommen davon lediglich 25 Millionen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Profis den Berechnungen der Klubs, die den Gehaltsanteil auf 57 Prozent beziffern, ebensowenig trauen wie der Behauptung, einige Teams hätten Verluste gemacht.
Dennoch scheint die Basis für eine Übereinkunft gefunden, und Charles Barkley glaubt sogar, daß es noch in dieser Woche eine Einigung gibt. Die Saison könnte dann wenigstens im Dezember beginnen. „Das Skelett eines Deals“ sei gefunden, sagt Commissioner David Stern, man müsse sich bloß über die genauen Zahlen einigen. Diese klafften letzte Woche allerdings noch weit auseinander. Freuen kann sich, wenn es irgendwann losgeht, in jedem Fall Chucky Brown. Der Mindestlohn für Veteranen soll, da sind sich beide Seiten einig, nahezu verdoppelt werden. Matti Lieske
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