■ Irak: Saddam Hussein legt sich erneut mit der UNO und den USA an: Die Gunst der Stunde
Ist die erneute Zuspitzung des Konflikts zwischen dem Irak und der UNO beziehungsweise den USA nur die Wiederholung bekannter Rituale? Die letzten Beschlüsse Bagdads zur völligen oder teilweisen Einstellung der Zusammmenarbeit mit den Inspekteuren der UNO-Sonderkommission (UNSCOM) und zur Forderung nach der Ausreise zumindest der US-amerikanischen Rüstungsexperten stammen vom Oktober 1997 und vom August dieses Jahres. Seitdem haben sich die wesentlichen Grundkonstanten und Rahmenbedingungen des Konflikts nicht verändert.
Nach wie vor leidet die irakische Zivilbevölkerung am meisten unter den im Frühjahr 1991 vom UNO- Sicherheitsrat verhängten Wirtschaftssanktionen. Das vom Sicherheitsrat postulierte Sanktionsziel, die Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen und ballistischen Raketen Iraks sowie die endgültige Einstellung der entsprechenden Rüstungsprogramme, wurde nicht erreicht. Allerdings: Die weitgehende Geheimhaltung bestehender Erkenntnisse durch alle Beteiligten, die zahlreichen Versuche zur Manipulation der Weltöffentlichkeit durch Bagdad und Washington sowie das zunehmend undurchsichtige und widersprüchliche Verhalten von UNSCOM-Chef Richard Butler lassen eine seriöse Bestandsaufnahme der bislang erfolgten Abrüstung Iraks nicht zu.
Die Tatsache, daß Bagdad jetzt die Zusammenarbeit mit der UNSCOM aufgekündigt hat, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aber die Fortsetzung ihrer Überwachungstätigkeit gestattet hat, ist ein Indiz, daß der Irak auf dem Gebiet der atomaren Rüstung alle Auflagen des UNO-Sicherheitsrats erfüllt hat. Entsprechende Verlautbarungen waren von UNSCOM-Chef Butler schon seit Herbst letzten Jahres zu hören. Dennoch sind die USA und auch Großbritannien weiterhin nicht bereit, im Sicherheitsrat formell das Ende der irakischen Atomwaffenrüstung festzustellen und eine Lockerung der Sanktionen zu beschließen.
Weitgehend unverändert sind auch die regionalen Rahmenbedingungen des Irak-Konflikts und die damit verbundenen Kalküle und Interessenlagen. Das gilt zumindest bislang noch trotz der seit September eskalierten Spannungen zwischen Iraks Nachbarn Syrien und Türkei, trotz der jüngsten israelisch-palästinensischen Vereinbarungen zur Rettung des Friedensvertrags von Oslo und trotz der vorsichtigen Annäherung zwischen den USA und dem Iran.
Was treibt Saddam Hussein gerade jetzt dazu, den Konflikt zu verschärfen? Für Hussein ist die Anzettelung und Eskalation von Konflikten mit äußeren Gegnern Bedingung zur Absicherung seiner Macht nach innen und damit für sein eigenes Überleben. Da sich dieser Manipulationsmechanismus angesichts der wachsenden innenpolitischen Probleme Iraks zunehmend abnutzt, muß Hussein ihn in immer kürzeren Abständen einsetzen. Hier gibt es Parallelen zu Ex- Jugoslawien, wo sich Slobodan Milošević seit 1991 in einer ähnlichen Situation befindet.
Zum zweiten kalkuliert Hussein möglicherweise, daß er die derzeit im Kosovo-Konflikt engagierten USA mit der erneuten Kriseneskalation in einem für ihn günstigen Moment trifft. Eine substantielle Veränderung der UNO-Politik gegenüber seinem Land dürfte er dennoch nicht erreichen. Das zeigt bereits die schnelle, einstimmige und deutliche Verurteilung, mit der der Sicherheitsrat in der Nacht zum Sonntag auf den Beschluß aus Bagdad reagierte.
Rußland, während der letzten beiden Runden der Irak-Krise noch engagierter Befürworter einer Teilaufhebung der Sanktionen gegen Bagdad, ist inzwischen völlig von der eigenen Wirtschaftskrise absorbiert und als Gegengewicht zu Washington und London im Sicherheitsrat praktisch nicht mehr existent. Frankreich wird diese Rolle allein nicht spielen, trotz seiner starken Interessen am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Irak. Daß sich diese Interessen auch bei fortbestehenden UNO-Sanktionen wahrnehmen lassen, zeigt im übrigen die starke Beteiligung französischer Firmen – darunter Staatsunternehmen – an der gestern in Bagdad eröffneten größten Handelsmesse seit Ende des Golfkriegs. Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen