Analyse: Touristen für den Frieden
■ Nord-Koreas Machthaber empfängt südkoreanischen Hyundai-Gründer
Ab heute können in Süd-Korea erstmals Touristenreisen in den verfeindeten Norden gebucht werden. Ab dem 18. November will der Hyundai-Konzern pro Woche 2.000 Touristen aus dem Süden per Schiff zum nördlichen Berg Kumgang bringen, wo Süd-Koreas größter Konzern in den nächsten Jahren einen millionenschweren Tourismuskomplex mit Golfplatz, Spielkasino und Skiliften bauen will. Das Vorhaben ist nur eines von zahlreichen Projekten, auf die sich Hyundai-Gründer Chung Ju Yung in der vergangenen Woche mit der nordkoreanischen Führung einigte – einschließlich der gemeinsamen Erschließung von Ölquellen. Dabei wurde Chung am Freitag abend als erster Süd-Koreaner seit dem Tod des uneingeschränkt herrschenden Kim Il Sung überraschend von dessen Sohn und Nachfolger Kim Jong Il empfangen.
Skepsis bleibt angebracht, ob sich die in Nord-Korea vereinbarten Projekte realisieren lassen. Die Führung in Pjöngjang hat bisher keinerlei Hemmungen gehabt, Abmachungen auf Eis zu legen, wenn sie sich davon politische Vorteile versprach. Schon nach Chungs letzter Nord-Korea-Reise im Juni hieß es, das seit 1989 geplante Tourismusprojekt könnte bereits im September beginnen. Dennoch symbolisiert Chungs jetzige Reise ermutigende Bewegungen auf beiden Seiten der Demarkationslinie, die Korea in zwei technisch noch immer im Kriegszustand befindliche Staaten teilt. Kein innerkoreanisches Treffen hat in den letzten Jahren auf so hoher politischer und wirtschaftlicher Ebene stattgefunden. Auf nordkoreanischer Seite dürfte die extrem schwierige Versorgungslage dazu beigetragen haben, daß Kim Jong Il den Projekten seinen persönlichen Segen gab. Allein aus dem Tourismusvorhaben verspricht sich der Norden dringend benötigte Deviseneinnahmen von rund 100 Millionen US-Dollar im Jahr.
Im Süden steht Chungs Treffen mit dem nördlichen Machthaber für den ersten sichtbaren Erfolg der neuen Nordpolitik von Präsident Kim Dae-jung, die in Seoul optimistisch „Sonnenscheinpolitik“ genannt wird. Kim will den Kalten Krieg durch friedliche Koexistenz ersetzen. Er differenziert im Umgang mit dem Norden zwischen Wirtschaft und Politik und beendete die staatliche Intervention in Wirtschaftsbeziehungen südlicher Konzerne zum Norden. Kim setzt auf langfristigen Wandel im Norden. Pjöngjang reagierte darauf im Juni mit einem weiteren U-Boot-Zwischenfall. Doch Kim ließ sich nicht beirren und kann jetzt den ersten sichtbaren Erfolg feiern. Sollten die Nord-Korea-Kreuzfahrten nicht doch noch in letzter Minute scheitern, könnten die Touristenreisen zu einer ersten vorsichtigen Annäherung beider koreanischer Staaten beitragen. Sven Hansen
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