Bei Ministers zu Haus (12) - die Heime unserer neuen Regierung
: Volle Kisten, leere Regale

■ Jürgen Trittin

In Bonn gibt es viele neue Minister. Aber wo kommen sie her, und wie sieht es bei ihnen zu Hause aus? In unserer Serie inspizieren wir heute die Wohnung von Umweltminister Jürgen Trittin.

Man hatte uns in Bonn schon vorgewarnt. „Der Jürgen“, sagte eine Mitarbeiterin der Grünenfraktion, „ach ja, der Jürgen, der Jürgen, der Jürgen ist irgendwie...“ Was wollte uns die Aktivistin der „Stoppt die öffentlichen Vereidigungen – Sind Soldaten Mörder?“- Initiative aus dem niedersächsischen Neustadt am Rübenberge sagen, als ihre Stimme in einen rauschenden Tränenfluß hinüberglitt?

Montag morgen, Hannover, Stadtteil Langenhagen. Die grauen Häuserwände werden plötzlich in ein tiefes Blau getaucht. Irritiert blicken wir auf die Straße. Mit Tempo 130 rauscht ein Mercedes- Benz heran, dahinter ein ebenso großer wie beeindruckender Begleitwagen. Türen werden aufgeschlagen, wir zerren nervös Kamera und Aufnahmegerät aus unseren Jacken. Ein Beamter der Sicherungsgruppe Bonn schiebt uns sacht zur Seite und flüstert uns zu: „Bitte Abstand halten, der Herr Minister kommt.“

„15 Minuten“, hat uns sein Bürochef genehmigt. „Mehr nicht.“ Wir blicken in den dunklen Fond des Wagens, sehen eine Hand, die eine Weste unter einem grauen Sakko strafft. Dann ist es endlich soweit: Der Umweltminister steht leibhaftig vor uns. 1,90 Meter. Strahlend. Der Zukunft zugewandt. Die Haare locker gefönt. „Aha“, sagt er. Grinst und mustert uns kurz unter dem Schnäuzer ab. Es ist still in Hannover-Langenhagen. Niemand ist zu sehen. Doch da, da winkt es, aus dem Fenster eines gegenüberliegenden Altbaus. Trittins Gesichtszüge entspannen sich. Lässig winkt er zurück. „Beate Stößenhagen-Wildenbruch“, sagt er knapp und bündig. Beate Stößenhagen-Wildenbruch, flimmert die redaktionelle Infomappe vor meinen Augen: 46, SPD, Hausfrau, zwei Kinder, damals in Brokdorf AKW-Aktivistin. Nur: Was hatte sie mit ihm zu tun? Für derartige Überlegungen ist wenig Zeit. Hastig hastet Trittin voran, hinauf in den 5. Stock eines Mietshauses, Stil 50er Jahre. Vor seiner Haustür stehen Umzugskartons. Auf- und nebeneinander. Wir zwängen uns durch, erhaschen einen Blick auf eine halboffene Kiste. „Abc des Widerstands“ entziffern wir im Vorbeigehen. „Schaffen Sie das mal weg“, sagt Trittin. Vier Beamte sind umgehend zur Stelle. „Nach Bonn, Herr Minister?“ tönt es unsicher hinter einer Kiste hervor. „Auf die Müllkippe“, schallt es zielsicher zurück. Kein Zweifel: Dieser Mann hat seine Behörde in der Hand.

Hinein geht es schließlich in sein Reich. Links im langen Flur begrüßt uns ein Plakat. Eine Faust reckt sich in den Himmel: „Lest den Arbeiterkampf!! Kommunistischer Bund“. Trittin bleibt kurz stehen, mustert das Plakat, grinst still. Leise murmelt er etwas von „Erstausgabe“ und schreitet zügig voran. Der Fotograf, der sein Geld mit Aufträgen für Edelmagazine verdient, läßt einen anerkennenden Pfiff hören. Der Rahmen, sagt er, sei handgefertigt, folglich „sehr, sehr teuer“. Wir passieren Plakat an Plakat. Trittin als Parteiredner, hart und schwarzdunkel glänzt die Lederjacke, Trittin mit Schröder, schließlich Trittin als Umweltminister in seinem Bonner Büro.

Es riecht nach Farbe. „Alles kürzlich neu gemacht“, sagt Trittin und ruft uns ins Wohnzimmer. Ein gelbes Sofa, Marke Ligne Roset. Frischgelegtes Parkett. Zwei Stühle, eine Zimmerpflanze. Regale aus Kirschholz. Leer. „Man muß sich von Zeit zu Zeit trennen können“, sagt er und schiebt uns hinaus in den Flur und hinein ins Schlafzimmer. Eine imposante Schrankwand im kühlen Design füllt eine der Wände aus. Die Schiebetür wird zur Seite gerollt. Anzug an Anzug, Schlips an Schlips, Weste an Weste, Hemd an Hemd. Der Fotograf ist sichtlich irritiert. Hat er doch erst kürzlich ihn, den Intimfeind von ihm, abgelichtet. Ob das nicht dessen Anzüge seien, dessen Schlipse, dessen Westen? Tja, lacht Jürgen Trittin frei heraus, „ich verrate Ihnen jetzt mal ein Geheimnis“, während wir zur Haustür gedrängt werden und dabei fast über einen vom Kartontragen schwitzenden Beamten stolpern. „Ich und der Joschka, wir kaufen seit Jahren zusammen ein.“ Und, sagt er dann, bevor die Tür leise ins Schloß fällt, „es hat sich ja auch gelohnt“. Severin Weiland