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Castro spielt ohne Libero

Trotz aller materiellen Handicaps scheinen sich die kubanischen Volleyballerinnen weiter verbessert zu haben. Sie gehen als Favoritinnen in die heute beginnende WM  ■ Von Knut Henkel

Wie es aussieht, sind die kubanischen Volleyballerinnnen auf den Punkt fit. Bei einem letzten Test in der Heimat haben sie jedenfalls die Italienerinnen mit 3:0 Sätzen aus der Halle gefegt, um kurz darauf in den Flieger gen Japan zu steigen. Dort beginnt heute die WM, bei der das Team favorisiert wird. Das ist kein Wunder: Die Weltrangliste führen sie mit deutlichem Vorsprung vor den zweitplazierten Russinnen an und die großen internationalen Turniere, sowohl Weltmeisterschaft als auch die beiden olympischen Spiele, haben sie in dieser Dekade klar dominiert.

Von einer automatischen Titelverteidigung will Trainer Antonio Perdomo aber natürlich nichts wissen. „Die Spitze im internationalen Volleyball ist enger zusammengerückt“, das sagt der Sportlehrer in diesen Tagen ständig. Den Druck der Favoritinnenrolle will er seinen zwölf Spielerinnen nehmen, doch für Nereo, ein sportbegeisterter Universitätslehrer aus Havanna, ist das ein hoffnungsloses Unterfangen. „Natürlich können auch die anderen Volleyball spielen, aber alles andere als die Goldmedaille wäre eine Überraschung. Und in der ersten Partie gegen die USA ist ein Sieg sowieso Pflicht.“

An dem zweifeln auch die Experten nicht, auch wenn die wiedererstarkten US-Frauen mit den Weltklassespielerinnen Karrie Downey und Salima Davidson in der Weltrangliste an siebter Position stehen und damit zu den acht gesetzten von 16 Teams gehören.

Gefahr droht eher von den Brasilianerinnen, die seit ihrem Sieg beim Grand-Prix-Finale in Hongkong im September als echter Titelanwärter gehandelt werden. Da hatte sich das Team von Trainer Bernardo Rezende überragend präsentiert und die Kubanerinnen gleich zweimal geschlagen. Gestützt auf Angreiferin Leila Barros, die als beste Spielerin des Turniers ausgezeichnet wurde, und auf die Zuspielerin Raquel Silva (21), war auch das Finale gegen das neu aufgebaute russische Team (Altersdurchschnitt 22 Jahre) klar 3:0 gewonnen worden.

Ein wenig ins Hintertreffen sind die Chinesinnen in diesem Jahr geraten. Mit ihrem variantenreichen Kombinationsspiel hatten sie noch 1996 im Olympiafinale von Atlanta das Publikum begeistert und den siegreichen Kubanerinnen alles abverlangt. Mit überfallartigen Angriffen, intelligenten Spielkombinationen und viel Spielübersicht verliehen sie dem internationalen Volleyball neue Impulse. Derzeit rangiert das Team von Coach Ping Lang auf Position drei in der Weltrangliste, große Erfolge bei internationalen Turnieren blieben allerdings in diesem Jahr versagt.

Zweimal scheiterten sie an den Kubanerinnen, deren Stil Perdomo weiter verbessert hat. Zu der allseits bekannten Angriffsstärke gesellt sich nun noch ein verbessertes Defensivverhalten, kleine Unsicherheiten in der Annahme scheinen ausgemerzt.

Wie es der kubanische Trainer angesichts der nicht gerade optimalen Trainingsmöglichkeiten in Havanna immer wieder schafft, sein Team zu neuen Höhenflügen zu motivieren, ist erstaunlich. Die Equipe trainiert immer noch in der zu kleinen Halle im Sportzentrum „Cerro Pelado“, wo den Spielerinnen einige Meter beim Aufschlagtraining fehlen, und erst im nächsten Jahr soll das neue Trainingszentrum fertig werden. Trotz aller materiellen Handicaps präsentieren sich die Kubanerinnen verbessert, scheinen ein wenig asiatische Spielkultur adaptiert zu haben. Alle Spielerinnen sind extrem beweglich, erreichen Bälle, die andere verloren geben oder die nur noch von speziellen Verteidigerinnen, „Libero“ genannt, geangelt werden können. Bisher hat Coach Perdomo nur sporadisch eine Abwehrspezialistin für die Liberoposition nominiert, so daß Volleyballfan Nereo damit rechnet, daß auch in Japan die Position nur von Fall zu Fall besetzt wird.

Neben der exzellenten Blockspielerin Regla Torres kann Perdomo wieder auf die Zuspielerin Lily Izquierdo und auf seine erfahrenste Angreiferin, Mireya Luis, mit 30 Jahren die älteste jugadora, zurückgreifen. Prächtig gemausert haben sich die beiden Jüngsten im Team: die erst 20jährige Angreiferin Yumilka Ruiz und die ein Jahr jüngere Verteidigerin Indira Mestre, die den Sprung in die Anfangsformation geschafft haben.

Was die deutschen Frauen betrifft: Trainer Siegfried Köhlers Ziel ist es, die Großen „ein wenig zu ärgern“ und einen Platz unter den besten acht zu belegen.

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