: Getrennt oder vereint den Gipfel stürmen?
■ „Reclaim Europe“: Die Protestbewegung bereitet sich auf zwei Gipfeltreffen in Köln vor
Köln (taz) – Zwei politische Großereignisse, die im Juni 1999 in Köln stattfinden werden, werfen schon ihre Schatten voraus: Am 5. Juni tagt der EU-Ministerrat, und vom 17. bis 19. Juni wollen die VertreterInnen der acht führenden Industrieländer beim Weltwirtschaftsgipfel ihre politisch-ökonomische Leitlinien abstimmen.
Traditonell sind die Highlights der internationalen Gipfeldiplomatie auch Mobilisierungshöhepunkte für Proteste. Sowohl der G-7-Gipfel 1992 in München als auch der EU-Gipfel 1997 in Amsterdam waren von teilweise massiven Protesten begleitet. Auch für die Kölner Gipfel werden schon seit Monaten von den unterschiedlichsten Gruppen Gegenaktionen vorbereitet. An der Frage, ob die Gipfel kritisch begleitet oder bekämpft werden sollen, scheiden sich allerdings noch die Geister.
So traf sich am Wochenende das Spektrum der Protestbewegung in Köln zu getrennten Vorbereitungstreffen. Über 120 Delegierte aus Westeuropa verständigten sich auf der „Reclaim Europe-Konferenz“ auf ein ambitioniertes Gipfel-Begleitprogramm. Arbeitslosigkeit, ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse und die rechtlose Situation der MigrantInnen in Europa wurden als Schwerpunktthemen festgelegt. Die „Euro- Märsche gegen Erwerbslosigkeit und Ausgrenzung“ sollen aus verschiedenen westeuropäischen Ländern am 5. Juni sternförmig in Köln enden. Für den 3. bis 5. Juni ist ein Gegengipfel geplant. Auf einem europaweiten Vorbereitungskongreß am 23. und 24. Januar in Köln sollen die Pläne konkretiert werden. Optimistisch zeigt sich Paul Stern vom Bielefelder Bündnis gegen Erwerbslosenarbeit. Vom Bonner Regierungswechsel erwartet er sich sogar noch Rückenwind. „Bis zum Sommer werden viele Menschen ernüchtert festgestellt haben, daß auch in einem sozialdemokratisch verwalteten EU-Europa die Niedriglohnpolitik ausgeweitet wird.“
Die über 60 TeilnehmerInnen des ebenfalls am Samstag in Köln tagenden „vierten Vorbereitungstreffen linksradikaler, antifaschistischer und autonomer Gruppen“ wollen den Schwerpunkt ihrer Gipfelstürmeraktionen ebenfalls auf die EU-Tagung legen. Sie wollen nicht die EU-Politik kritisch begleiten, sondern die Institution grundsätzlich in Frage stellen. In den nächsten Wochen soll mit Veranstaltungsreihen in verschiedenen Städten (zum Beispiel die Berliner Info-Woche vom 6. bis 11. November im Mehringhof) auch die linke Basis informiert werden. Peter Nowak
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