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Sowas von lässig

Ikone-Sein muß gar nicht weh tun: Die große Deborah Harry spielte mit den reformierten Blondie im Docks  ■ Von Christian Buß

ege zum Ruhm. Wege, mit Ruhm umzugehen. Debbie Harry hat den langen genommen, bekanntlich hat sie Blondie erst gegründet, als sie die 30 schon überschritten hatte. Da hat man noch Träume, aber keine Flausen mehr im Kopf. Und wenn dann die musikalische Welt zusammenbricht, bricht damit nicht gleich auch alles andere zusammen. Die notorische New Yorkerin jedenfalls hatte nach dem Ende ihres Ensembles 1983 keine Probleme, mit ihrem Status als Superstar umzugehen.

Gibt es im Rock'n'Roll sonst frei nach Neil Young nur zwei Optionen des Alterns, das Ausbrennen nämlich oder das Entschlafen, wählte Debbie Harry eine dritte: Sie hielt über die Jahre geschickt ihren Ruhm am Köcheln. Dabei war sie kommerziell kaum erfolgreich, aber machte immer eine prima Figur. Ob sie nun, etwa mit den Jazz Passengers, auf einer kleinen Club-Bühne steht oder, wie zuletzt, im Inzest-Schocker Six Ways To Sundays beim Morden selber Hand anlegt. Debbie Harry ist eine Ikone – aber sowas von lässig.

Der Auftritt der nach 15 Jahren reformierten Blondie am Montag im Docks bildet da keine Ausnahme. Bloß keinen abbrechen, das ist noch immer die Devise der Deborah Harry, die jetzt in bequemen Leggins die wieder größer gewordenen Bühnenbretter abmißt. Sie rudert ein bißchen mit den Armen, schließt die Augen, und manchmal vergißt sie, welchen Song sie eigentlich singen will. Zum Glück weiß das das leider nicht so reichlich erschienene Publikum. Die alten Hits nämlich, und Michael Stipe ahnt ein paar Blocks weiter im Grünspan (siehe unten), daß er heute definitiv auf dem schlechteren Konzert ist – „I heard Blondie is playing tonight, I wish I could be there.“

Während die Band die stilistische Spannbreite des Repertoires abmißt – vom etwas zu bluesrockig gespielten „Call Me“ zum synthetischen Herzschlag von „Heart Of Glas“ – wird noch einmal klar, für was Blondie überhaupt alles standen: Plastik und Punk, Glamour und Haltung. Dieser schillernde Zwischenzustand ist natürlich nicht so ohne weiteres vom wunderbaren 1978 ins weniger wunderbare 1998 zu überführen. Macht nichts, denn jedem mußte klar sein, daß dieser Auftritt kein historisches, sondern ein historisierendes Ereignis werden würde. Weshalb man auch gerne über die nur mäßigen neuen Kompositionen hinweghörte. Und über die schlecht sitzende Lederkluft der männlichen Mitglieder hinwegsah. Bleibt die Frage, weshalb Blondie auf den vielleicht allergrößten Pop-Song der Geschichte verzichteten. Aus Kalkül Wir stehen jedenfalls auch nächstes Jahr im Publikum – und sehnen uns nach „Denis“.

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