Geheimnisvolle Dosenmandarinen

■ Die Galerie Endart stellt kleinformatige Radierungen von Tatjana Bergius aus

Was haben ein durchlöcherter Reisekoffer, wackelnde Titten und Baukräne gemeinsam? Tatjana Bergius rückt in ihren Radierungen das Paradoxe und das Skurrile zusammen. Dicht gedrängt, komplex, vielperspektivisch wirken die panoramahaften Stadtbilder der 29jährigen gebürtigen Berlinerin. Comcistrip, basquiatscher Blödsinn, Grosz-artige Physiognomien mischen sich hier aufs feinste. Doch die Arbeiten sind nie zu ausgetüftelt, langweilen nicht mit dekorativer Raffinesse; immer ereignet sich auf Bergius' Papierpflastersteig etwas Unerwartetes: Da hängt ein Gürtel aus einer Vagina, da spazieren Katzen unbeschadet durch – ja woher kommen denn die? – zuckende Explosionen. Chaos, Urbanität, Rätsel sind Schlüsselbegriffe zu Bergius' Werk, das ein seltenes Beispiel für einen gelungenen Umgang mit postmodernen Inhalten ist: naiver Charme, Ungezwungenheit bleibt erhalten.

Humor stellt sich gegen den Ernst und das Pathos, das die hier oft zitierten Berlin-Ikonen der Neunziger, Baukräne und glänzende Kuppeln, suggerieren. „Hochhaus“ schreibt die Künstlerin neben ein lapidar hingesetztes Rechteck, „Dosenmandarinen“ prangt neben einer Endlosreihe von zylinderförmigen Teilen. Geheimnisvoll auch die animalisch anmutenden Körper, schlangenhaft aalen sie sich durch den Dschungel der Hochhaus-Rechtecke und der Stadt-Zeichen.

Doch eines unterlassen sie stets: den Betrachter anzuschauen, ihn zu einem Kontakt herauszufordern. Im Mikrokosmos von Bergius' kleinformatigen Radierungen ist der Makro- und Multikosmos der Stadt in seinem selbstreferentiellen Autismus gebannt – ohne Anklage, ohne Kommentar, ohne Sentimentalität. Höchstens: verspielt. Tanja Dückers

bis 7. 11., tägl. 16–20 Uhr, Endart- Galerie, Oranienstraße 36