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Ficken heißt das Zauberwort Von Holger Wicht

Der Abend war lang gewesen. Auf dem WG-Tisch standen leere Flaschen, der alte Teppich war übersät mit Popcornresten und Rotweinflecken. Und weit und breit nichts zu ficken für die Jungs, woher auch. Da nahm der Lange nochmal schwankend hinterkopfs seine Haarpracht in die Hände, band sie entschlossen, wenn auch etwas umständlich zum Zopf und sagte: „Ach kommt, den einen Reim kriegen wir auch noch hin.“

Keine Viertelstunde später war die Sache erledigt: „...machen wir es uns gemütlich“ reimte sich trefflich auf „...Popcorn übrig“. Ein schöner Gegensatz zum Refrain: „Du willst immer nur ficken/ immer nur ficken/ immer nur ficken mit mir...“ Endlich war er fertig, der erste Hit einer Dreierpackung Softies: Der Typ sucht nach Geborgenheit, aber seine Lady ist voll tough, die will immer nur das eine. Sehr witzig geworden. Fehlte noch ein Bandname für das alkoholisierte Trio. „Ach“, meinte irgendwer, der gerade vom Klo kam, „nennen wir uns doch so, wie wir gerade sind.“

Niemand weiß, ob es sich tatsächlich so zutrug. Jedenfalls heißen die Jungs nun „Ganz schön feist“ und dürfen derlei Gestroph in allerlei Comedy-Kameras singen. Bei Harald Schmidt zum Beispiel. Und bei der „Gala des 8. Internationalen Köln Comedy Festival“, gesendet auf RTL als „Samstag Nacht Spezial“. Drei bis vier Bindestriche hätten dieser Veranstaltung besser getan als diese drei Spaßvögler. Doch das Publikum mag sie: Immer wenn das Wort „Ficken“ fällt, herrscht eitel Heiterkeit. Denn wie heißt das Zauberwort? Ficken heißt das Zauberwort. Schwenk ins Publikum: Verkicherte rote Köpfe. Lachtränige Steuerfachgehilfinnengesichter hinter bunten Kassengestellen scheinen zu sagen: „Daß die sich das trauen! Aber warum denn auch nicht? Ist doch witzig! Und der Mann will Zärtlichkeit, aber die Frau immer bloß, hihi, das eben..., also genau andersrum wie in echt, also irgendwie endlich mal ein intelligenter Text.“

Die „Bühnenshow“ weckt bei aller Komik die Beschützerinnen- Instinkte: Lakonisch-melancholische Blicke, desillusioniert wie geschlagene junge Hunde zur Urlaubszeit an der Leitplanke. Das war tatsächlich mal komisch, damals, in den 80ern, und hieß Trio. Um genau zu sein: Peter, Schlagzeuger von Trio. Folgerichtig hat einer eine Trommel dabei und trägt dazu einen Hut. Schaut aus der Wäsche, als wäre er kürzlich bei RTL 5 oder Kabel 12 als Küppersbusch-Double abgelehnt worden. Der lange Obersoftie schaut durch eine studentoide runde Brille und hat wieder seine Haare dabei und zum Zopf gebunden, so daß er aussieht wie Rainer Langhans auf dem Standesamt. Den dritten vergißt man, sobald die Kamera ihn gnädig ins Off entläßt.

Schließlich haben die Jungs fertiggesungen und erzählen noch rasch zwei, drei Illustrierten, daß sie trotz ihres Erfolges ganz normal geblieben sind. Dann fahren die Jungs ins Hotel. Mit den „Öffis“ (wie sie die öffentlichen Verkehrsmittel nennen), denn schließlich sind sie ganz normale Jungs geblieben. An der Haltestelle begegnen sie einer Horde betrunkener 13jähriger Mädchen, die gerade auf dem Heimweg von ihrer ersten Klassenfete sind. „Du willst immer nur ficken“, singen die Mädchen. Da merken die Jungs, was sie angerichtet haben. Oder auch nicht.

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