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Der BUND verliert seine alte Mitte

Mit dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Hubert Weinzierl kommt es im BUND zum offenen Richtungsstreit über das Verhältnis zur rot-grünen Bundesregierung und über die Strategie der Zukunft  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) steht am kommenden Samstag eine Richtungsentscheidung bevor. Nachdem die Integrationsfigur Hubert Weinzierl (62) nach 15 Jahren im Amt nicht erneut für den Vorsitz des BUND kandidieren will, werden sich die BUND-Delegierten wohl entscheiden müssen zwischen seiner Stellvertreterin Angelika Zahrnt (54) und Hubert Weiger, dem Geschäftsführer des Bund Naturschutz in Bayern (BN), dem bayrischen Landesverband des BUND. Während Weiger im BUND-Jargon für den „bayrischen Fundamentalismus“ steht, gilt Zahrnt als eine Vertreterin des Dialogs mit Gewerkschaften, Kirchen und auch der Wirtschaft.

Hubert Weinzierls Rückzug auf seinen Posten als Landesvorsitzender des BN stellt auch einen Generationswechsel beim BUND dar. Vor 23 Jahren dehnte er zusammen mit dem ehemaligen Grünen Herbert Gruhl den bayrischen BN auf ganz Deutschland aus und gründete den BUND. Es ging den beiden um einen „konsequenten Naturschutz“. Der BN hatte einen großen Anteil daran, daß im Bayrischen Wald vor 28 Jahren der erste Nationalpark Deutschlands entstand. Der BUND wird mit dem wertkonservativen Forstwirt und Unternehmer Weinzierl identifiziert. Auch wenn er selbst für den bayrischen Ökofundamentalismus stehe, sei Weinzierl auf Bundesebene stets moderat aufgetreten, urteilen viele BUNDler.

Vor drei Jahren machte erstmals jemand Weinzierl das Amt streitig, nämlich Ute Wiegand-Nehab, die jetzige Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Sie unterlag. Doch Weinzierl kündigte schon damals an, nicht wieder antreten zu wollen.

Die Volkswirtin und Informatikerin Zahrnt steht für einen pragmatischeren Kurs einschließlich der Kooperationen mit der Wirtschaft: „lösungsorientiert“ und „ohne absolute Ziele“ beschreibt sie selbst ihren Kurs. Sie hat das Thema Ökosteuer vorangebracht und sich viel in die Nachhaltigkeitsdebatten eingemischt. Ein Weg, der auch die Entwicklung der Umweltpolitik der Grünen kennzeichnet: eine Einbeziehung von Sozialem und Wirtschaft, der Dialog mit Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmern – eben der Wandel vom Stichwort „Umweltschutz“ zum Thema „Nachhaltigkeit“, wie es auch der Rio-Gipfel vor sechs Jahren gefordert hat.

Gespräche sind das eine. Doch in der zuletzt stark zunehmenden Kooperation des BUND mit Unternehmen, etwa Hertie, Milupa und Deutscher Bahn, sahen viele BUNDler ihre Prinzipien über Bord geworfen. Der Streit eskalierte vor einem Jahr, als sich der thüringische Landesverband eigenmächtig vom Stromkonzern Veag sein Klagerecht gegen den Pumpspeichersee Goldisthal für sieben Millionen Mark abkaufen ließ.

Der zweite Kandidat für den Bundesvorsitz, Hubert Weiger, ist Forstwirt und Professor für Naturschutz in Kassel und von Anfang an im wissenschaftlichen Beirat des BUND. Er steht für den bayrischen Weg, gilt als unnachgiebig und kritisiert intern auch schon mal die Haltung seines Namensvetters Weinzierl als zu lasch. Weiger gilt als exzellenter Fachmann und fordert denn auch eine „Priorität der Fachpolitik“. Er will zu einer kompromißloseren Lobbypolitik zurückkehren. Das ist sicherlich ein naheliegender Weg, um unter einem grünen Umweltminister den Abstand zur Bundesregierung zu wahren.

Weiger gilt auch – nicht unwesentlich – als charismatischer als Angelika Zahrnt. Doch für sie sprechen ihre umfangreichen Kontakte in andere gesellschaftliche Gruppen. Ihre Anhänger glauben, daß sie die neuen Möglichkeiten durch die rot-grüne Koalition besser nutzen kann. Weiger fahre auch in Bayern einen zu kompromißlosen Kurs, seine „an der steinharten CSU gestählte Haltung tauge nicht für Bonn“, so ein BUNDler.

Einige Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle des BUND fürchten, daß mit Weiger als neuem Chef der Rückhalt für die neue Kampagnenpolitik schwindet. Seit einem Jahr macht der BUND ein wenig im Stile von Greenpeace Kampagnen wie „Overdose“, bei denen sich der Umweltverband auch nicht zu schade ist, ein HipHop-Konzert zu organisieren, um den Kids zu demonstrieren, daß Dosen uncool sind. Das ist nicht die Sache vom bayrischen Professor Weiger.

Der Ausgang der Abstimmung über den Vorsitz voraussichtlich am Samstag auf der dreitägigen Bundesdelegiertenversammlung in Bad Hersfeld in Hessen gilt als offen. Am Freitag können sich die Umweltschützer schon mal in ihre neue Rolle einfinden, wenn Bundesumweltminister Jürgen Trittin dort spricht. Am Samstag müssen sie dann entscheiden, wie sie sich auf die neue Regierung einstellen wollen: in harter Opposition oder in kritischer Zusammenarbeit.

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