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Ein ganz gemeiner kleiner Hund auf der Suche nach einem Job

■ Mit dem Zeichentrickfilm „Dinky Dog“ kehrt das multimediale Web zu den goldenen Gründerzeiten des Kinos zurück

Er nennt sich „November Jones“, seine Website steht unter dem hierzulande unaussprechlichen Namen „ackxhpaez“. Beides ist unter Kennern ein fester Begriff. Welche Person sich dahinter verbirgt, bleibt trotzdem ein Geheimnis. Der Namenlose liebt die Verstellung und die Parodie. Er zeichnet „Comix“ (keine „Comics“) und stellt online allerlei Fundstücke trivialer Kunst aus. Manchmal sind sie echt, manchmal auch falsch, nämlich selbstgemacht.

Scheußlich schön sind sie immer, das Glanzstück aus dieser Online-Fälscherwerkstatt aber heißt „Dinky Dog“(www.ackxhpaez .com/archive/): ein Zeichentrickfilm, der mit den multimedialen Mitteln des Web eine Rarität aus der Urgeschichte des Kinos vortäuscht.

Dinky Dog, das Hündchen in kurzer Hose, sucht einen Job, der Pizzabäcker Tony einen Koch. Nur rollt der Grinsehund dann nicht nur den Teig aus, wie er soll, er bearbeitet mit dem Nudelholz auch die Madame des Chefs: So weit die Geschichte des kurzen Films, der angeblich erst vor kurzem in Philadelphia wiedergefunden wurde. Der erste seiner Art, so spinnt Jones seine Legende weiter, nur wenig allerdings sei überliefert über den verarmten ungarischen Handelsvertreter namens November Jones, der die Figur des Dinky Dog 1914 erfunden habe. Sein widerentdeckter Film stamme aus dem Jahr 1909 und habe seinerzeit bei seinen Aufführungen regelmäßig zu Tumulten geführt. Zuschauer verließen empört den Saal, die Kritik habe den Streifen als „zotig, beleidigend und äußerst unwitzig“ abgelehnt. November Jones habe danach nie wieder einen Zeichentrickfilm gemacht.

So weit Jones über Jones, wahr daran ist nur, daß wenig über ihn bekannt ist. Man muß es bedauern. Dinky Dog ist ein Kleinod. Die briefmarkengroßen Bildchen der Einzelszenen flimmern wie zu den seligen Zeiten des Stummfilms, Texttafeln sind stilgerecht dazwischengeschaltet. Nur muß man hier auf die imaginäre Leinwand klicken, damit der Film weiterläuft, denn es steckt weiter nichts dahinter als die Animationstechnik übereinandergelegter Grafiken, die das „GIF“-Format schon lange anbietet. Wer Apples QuickTime-Zusatzprogramm installiert hat, bekommt zudem eine krachende Endlosschleife aus Salonmusik mit Saxophon und Geigen in Schellackqualität zu hören. Dinky Dog ist nicht nur eine nostalgische Täuschung, sondern zugleich eine Satire des Multimediawahns der Webdesigner, die sich für die Frontmänner des modernsten Mediums halten. Mehr als Ruckelbilder und Musik aus dem Hörtrichter haben sie ja nicht anzubieten, und interaktiv, wie es sich heute gehört, kann man an Dinky Dog sogar eine Mail abschicken. Wahrscheinlich kommt sie zu Beginn unseres Jahrhunderts an. Das Gästebuch, hier „MailBag“ genannt, enthält ein gutes Dutzend Beiträge. Die wenigsten dürften tatsächlich von Besuchern der Website stammen; was hier besonders echt aussieht, ist ganz sicher eine Fälschung. niklaus@taz.de

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