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Konzept: Ausgrenzung

■ Freie Träger kritisieren neue Unterkünfte für straffällig gewordene Jugendliche

An der „Feuerwehrpolitik“ des Hamburger Senats üben die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe heftige Kritik. Nachdem im Sommer zwei junge Männer den Tonn-dorfer Lebensmittelhändler Willi Dabelstein ermordet hatten, hatte der Senat blitzschnell die Einrichtung einer Unterkunft für straffällige Jugendliche beschlossen, in der diese rund um die Uhr betreut werden sollen. Anfang der Woche ist das erste von zwei derartigen Häusern vom städtischen „Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB)“ in Bergedorf eröffnet worden (taz berichtete). Sieben freie Träger haben nun dem Amt für Jugend ein Gegenkonzept vorgelegt. Darin bieten sie an, selbst Jugendliche aufzunehmen, die vom Gericht von der Untersuchungshaft verschont wurden.

Die Jugendhilfeträger Abendroth-Haus, Alida-Schmidt-Stiftung, Jugendhilfe e.V., Margaretenhort, der Verein SME, die Pestalozzi-Stiftung und das Rauhe Haus kritisieren, daß die Jugendpolitik in Hamburg derzeit gravierend verändert werde. Mit Spezialeinrichtungen für straffällige Jugendliche würden diese ausgegrenzt und abgeschoben. Zudem gefährde die Finanzierung dieser Häuser das Jugendhilfesystem. Die Plätze in den beiden LEB-Einrichtungen in Bergedorf und im Bezirk Nord seien extrem teuer und würden zu Lasten der anderen Träger finanziert.

Helga Treeß vom Rauhen Haus glaubt jedoch, daß der Zug für ein anderes Konzept vorerst abgefahren ist. „Eine neue Weichenstellung wird sicher erst erfolgen, wenn es nicht funktioniert.“ Andererseits ist sie davon überzeugt, daß die nun geplanten sechs Plätze für straffällige Jugendliche nicht ausreichen werden – und die Stadt deshalb ohnehin darauf angewiesen sein wird, mit den freien Trägern zusammenzuarbeiten.

Die wurden am Entwurf des neuen Konzeptes nicht einmal beteiligt. „Der LEB hatte sich schon länger Gedanken darüber gemacht“, erklärt der stellvertretende Leiter des Amtes für Jugend, Jürgen Näther. „Als wir nach dem Mord von Tonndorf schnell handeln mußten, haben wir auf diese Vorarbeiten zurückgegriffen.“ Es gebe jedoch für kein Konzept eine „existentielle Garantie“, so daß sich das Amt für Jugend auch mit dem Gegenentwurf der freien Träger intensiv beschäftigen wolle. Elke Spanner

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