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Mit Humor und Klugheit

■ Einmal um die halbe Welt ist Walter Rothschild, der neue liberale Rabbiner Berlins, gereist – nur um einen Sack von Aufgaben zu erben

Mit spitzen Fingern nestelt Walter Rothschild ein wirr beschriebenes Blatt Papier aus einem Ordner auf seinem Schreibtisch: der erste antisemitische Hetzbrief hier in Berlin, quasi zu seinem Empfang.

Der bärtige Mann ist der neue liberale Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlins, mit etwa 11.500 Mitgliedern die größte in Deutschland. Und noch immer stapeln sich in seinem Büro die Kartons. Derzeit wohnt der vierundvierzigjährige Brite mit seiner niederländischen Frau und den drei Kindern im jüdischen Altersheim der Hauptstadt, auch das trägt er gelassen. Schließlich ist er Umzüge gewohnt: Nach seinem Theologiestudium in Cambridge, der Ausbildung am Leo- Baeck-Rabbinercollege in London und einem elfjährigen Dienst in der jüdischen Gemeinde von Leeds in England zog es ihn von Wien über Prag, Bratislava, München und Zagreb bis auf die Insel Aruba vor der Küste Venezuelas.

Nach einem Jahr dort kam er nach Berlin: Hierher hatte sich Rothschild schon einmal beworben, aber drei Jahre lang konnte sich die Jüdische Gemeinde nicht auf einen Kandidaten einigen, bis mit dem neuen Vorsitzenden, Andreas Nachama, frischer Wind durch die Gemeinde pfiff.

Eine Masse an Problemen erwarten ihn: Wie kann sich der liberale Rabbiner um fünf der sechs Synagogen der Stadt gleichzeitig kümmern? Kann er der jüdischen Reformbewegung in der Stadt neue Impulse geben? Wie die Jugend wieder für den Glauben begeistern? Wieviel Holocaust-Erinnerung ist nötig, wieviel Zukunftsorientierung möglich? Wie sehr muß sich die Gemeinde politisch engagieren, etwa bei der Diskussion um das geplante Holocaust-Mahnmal?

Vor allem aber: Was tun mit Tausenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, die oft weder Deutsch sprechen noch ihre Religion kennen? Rabbi Rothschild hat Humor und Klugheit – angesichts dieser Aufgaben wird er sie brauchen.

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