: Bekifft am Steuer kommt teuer
■ Als erstes Bundesland setzt Berlin den "Drugwipetest" gegen Autofahrer ein. Die Testergebnisse sind aber noch fehlerhaft - insbesondere bei Cannabis Von Plutonia Plarre
Von Plutonia Plarre
Ein winziger Zug am Joint genügt, und schon ist die Pappe weg. Als erstes Bundesland hat Berlin flächendeckend Drogen am Steuer den Kampf angesagt. Ab sofort kann die Polizei bei Autofahrern in der Hauptstadt sogenannte „Drugwipetests“ durchführen. Dazu wird unter der Achselhöhle des Betroffenen ein Schweißabstrich durchgeführt. Wenn sich das Sichtfenster des Röhrchens innerhalb von zwei Minuten verfärbt, kann wegen des Verdachts der Drogeneinnahme eine Blutabnahme durchgeführt werden.
Das Fahren „unter Drogen“ ist erst seit dem 1. August dieses Jahres verboten. Früher erfolgte nur dann eine Ahndung, wenn Fahruntüchtigkeit durch Fehlverhalten im Verkehr festgestellt worden war. In dem neuen Gesetz wird kein Unterschied zwischen harten und weichen Drogen gemacht. Konsumenten von Cannabis riskieren genausoviel wie diejenigen, die mit Heroin, Morphin, Kokain oder Ecstasy im Blut am Steuer erwischt werden. Die konsumierte Menge ist dabei völlig egal, denn im Gegensatz zu Alkohol am Steuer ist bei Drogen kein Grenzwert als Höchstmenge festgelegt worden. „Beim ersten Verstoß wird eine Geldbuße von 500 Mark und ein einmonatiges Fahrverbot fällig“, so der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Volker Mattern. Im Wiederholungsfall droht ein Bußgeld bis zu 3.000 Mark und drei Monate Fahrverbot. Alkoholfahrten bleiben dagegen bis 0,5 Promille sanktionsfrei. Ab 0,5 Promille gibt es eine Geldbuße. Ein befristetes Fahrverbot droht erst ab 0,8 Promille.
Achtung bei geweiteten Pupillen
Nach Angaben des Berliner Polizeirates Karsten Schlüter soll der „Drugwipetest“ nur dann angewendet werden, wenn der Beamte vor Ort den „Eindruck“ hat, daß der Autofahrer unter Drogen stehe. Dies zu identifizieren werde bei polizeilichen Drogenerkennungsseminaren gelehrt (siehe Kasten). Zwanzig leitende Beamte sind laut Schlüter bereits geschult worden. Sie sollen ihr Wissen nun ihren Untergebenen weitervermitteln. „Geweitete oder verengte Pupillen“, so Schlüter, „können ein Hinweis sein.“ In absehbarer Zeit, kündigte Schlüter an, würden alle Berliner Mausefallen mit dem Testgerät ausgestattet sein. Der Autofahrer sei laut Strafprozeßordnung zur Duldung des Tests verpflichtet. Wer sich weigere, könne gezwungen werden.
Daß Berlin „so zügig“ ist, stößt in anderen Teilen der Republik auf Verwunderung. „Das Testgerät ist noch gar nicht so weit erforscht“, zeigt sich die Referatsleiterin für Verkehrsmedizin der Bundesanstalt für Straßenverkehr in Nordrhein-Westfalen erstaunt. Ein in Baden-Württemberg durchgeführter und in Bayern ausgewerteter „Feldversuch“ des Tests habe gezeigt, daß es noch Fehlerquellen gebe. Dies bestätigt der am Institut für Rechtsmedizin im Saarland mit der Schulung von Polizisten befaßte Professor Manfred Möller. Bei Opiaten und Kokain habe der Test „gut“ funktioniert. Bei Cannabis dagegen habe das Gerät häufiger „falsch positiv“ und „falsch negativ“ angezeigt. Dies müsse verbessert werden.
Duschen mit Hanf gefährdet Führerschein
Was die Verfolgung von Cannabis- Konsumenten angeht, spricht der Vorsitzende Richter am Lübecker Landgericht, Wolfgang Neskovic, von einer „riesigen Ungerechtigkeit“. Ein Dorn im Auge ist ihm weniger das Testgerät, sondern das Gesetz, das Drogen im Verkehr so undifferenziert verbietet. Neskovic hatte 1994 mit einem Vorlagebeschluß beim Bundesverfassungsgericht für Aufsehen gesorgt, in dem er die Strafbewehrung des Konsums und der Weitergabe kleiner Cannabismengen als grundgesetzwidrig angezweifelt hatte. Damit hat er wesentlich dazu beigetragen, daß der Besitz von kleinen Haschischmengen zum Eigenverbrauch nicht mehr verfolgt wird. Daß sich im neuen Straßenverkehrsgesetz kein Grenzwert für Cannabis findet, hält Neskovic in mehrfacher Hinsicht für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. „Man muß den Nachweis führen, ab welcher Menge eine akute Gefährdung im Raum steht.“ Cannabinoide im Blut oder Urin sagten im Gegensatz zu Alkohol überhaupt nichts über den tatsächlichen Rauschzustand aus. Sie könnten bis zu fünf Wochen nach dem Konsum nachgewiesen werden, „wo erwiesenermaßen keinerlei Beeinträchtigung mehr vorliegt“. Außerdem könnten Cannabinoide auch ohne Konsum – etwa durch die Benutzung von Hanf- Shampoo – nachgewiesen werden. Neskovic räumt einer Klage gegen diese Ungleichbehandlung vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolgschancen ein.
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