Viel Vages in Sachen Polens EU-Beitritt

Bei seinem Polenbesuch gelingt es Schröder, Zweifel des Nachbarn an Bonns Solidarität mit Warschau zu zerstreuen  ■ Von Gabriele Lesser

Das Wort „Realismus“ ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder auf seinem Antrittsbesuch in Warschau kein einziges Mal fallen. Er warnte die Polen auch nicht vor illusionären Daten eines Beitritts zur Europäischen Union. Statt dessen betonte er, daß auch die SPD-geführte Regierung „das Interesse Polens an zügigen Beitrittsverhandlungen unterstützen“ werde.

Einen genauen Termin, wie ihn sich die Polen wünschten, wollte er dann allerdings doch nicht nennen. „Anders als mein Vorgänger verfüge ich nicht über die Phantasie, ein Datum in die Welt zu setzen.“ Helmut Kohl hatte das Jahr 2000 als Beitrittstermin genannt und damit in Polen Erwartungen geweckt, die sich bereits in den Vorverhandlungen der letzten Monate als unrealistisch erwiesen hatten. Polen strebt inzwischen das Jahr 2002 an. Sowohl Kanzler Schröder als auch Ministerpräsident Jerzy Buzek lobten die guten deutsch- polnischen Beziehungen, die herzliche „menschliche Atmosphäre“ während der Gespräche und die beiderseitigen Absichten zur Vertiefung der Kontakte.

Dies war in erster Linie zur Beruhigung der polnischen Öffentlichkeit gedacht. In Polen nämlich hatten sich in den letzten Tagen die Zweifel am Willen Deutschlands verstärkt, den Nachbarn als politisch wichtigen Partner zu sehen. Schröder konnte diese Zweifel ausräumen, wies aber gleichzeitig darauf hin, daß es in Zukunft nicht bei symbolträchtigen Gesten wie gemeinsamen Gelöbnissen bleiben dürfe.

Vielmehr könne die militärische Zusammenarbeit durch Rüstungskäufe vertieft und stabilisiert werden. Zur Modernisierung der polnischen Armee biete sich doch der MiG-Jäger an, meinte Schröder an Buzek gewandt. Dieser allerdings – seine Regierung verhandelt zur Zeit mit israelischen Firmen – wollte sich zu diesem Thema nicht näher äußern.

Einen Tag vor dem Besuch Schröders in Warschau hatte Jacek Turczynski, Vorsitzender der Stiftung Deutsch-Polnische Versöhnung, gefordert, nun endlich für eine gerechte Entschädigung der polnischen Zwangsarbeiter zu sorgen. Schröders Vorgänger, Kanzler Kohl, hatte diese Frage immer wieder als „bereits erledigt“ abgetan, da die kommunistische Regierung Polens mehrfach auf individuelle Entschädigungszahlungen verzichtet hatte. Rein rechtlich sind diese Verzichtserklärungen aber nicht gültig, da Lohnforderungen an einzelne Firmen nicht das Verhältnis zwischen Staaten, also das Völkerrecht, betreffen, sondern das Zivilrecht.

Zur Überraschung der Polen zog sich Kanzler Schröder nun aber auf den Standpunkt Kohls zurück. Die Stiftung, die von der Bundesregierung mit 500 Millionen Mark ausgestattet worden war und polnischen Zwangsarbeitern wie KZ-Opfern eine einmalige „humanitäre Hilfe“ in Höhe von durchschnittlich 500 Mark auszahlte, wird kein weiteres Geld aus Deutschland erwarten können.

Darüber hinaus – und hier drückte sich Schröder mehr als kryptisch aus – gebe es „einen Notenwechsel“ aus den frühen 50er Jahren, „den wir kennen, den auch die polnische Seite kennt, und an dem wir festhalten wollen“. Tatsächlich betrifft dieser ominöse Notenwechsel den Verzicht Polens auf „Reparationszahlungen“, nicht aber auf individuelle Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter.