: Vom Segen nach dem Regen
■ Die Kammerphilharmonie begeisterte mit einem glänzenden „Mozart“-Requiem
Es ist immer wieder ein Problem, welches Werk man mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem“ koppelt. Wegen seiner Größe verträgt es eigentlich kein anderes neben sich. Wegen seiner Kürze erfordert es in unserem Konzertbetrieb aber eins. Die Deutsche Kammerphilharmonie entschied sich in ihrem letzten Abonnementskonzert für eine frühe Kantate von Johann Sebastian Bach: „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“, BWV 12. Ganz passend war das nicht, so schön es auch klang. Die Bach'sche Kantatenmusik ist in einer Weise ausschließlich funktional – ihre Aufführungen waren als Auslegung der Bibeltexte Bestandteil des protestantischen Gottesdienstes –, daß reine Konzertaufführungen sich eigentlich verbieten. Und dies noch mehr, weil die mühselig trockenen Texte heute eher witzig wirken. So stellte sich beim Text „Nach dem Regen blüht der Segen, alles Wetter geht vorbei“ eine unfreiwillige, aber unangemessene Komik ein.
Trotzdem: Die Kantate wurde vom nordrheinwestfälischen Chor „modus novus“ und der Deutschen Kammerphilharmonie wunderbar gesungen und gespielt, mit allen rhetorischen Raffinessen und einer scharf konturierten Virtuosität – besonders Roderigo Blumenstock mit seiner ungemein flexiblen Oboe. Diesem 30 Köpfe starken Chor kann man nicht mehr anhören, daß es sich um Laien handelt – um Laien allerdings, die unter ihrem Gründer und Leiter Fritz ter Wey einen Preis nach dem anderen einheimsen. Auch die Altistin Barbara Hölzl fiel auf durch ihre klangschöne Artikulation – wann kann man je gerade bei einer Altistin jedes Wort verstehen?
Der Wiedergabe des Mozart-Requiems unter der Leitung des englischen Dirigenten Harry Christophers folgte Betroffenheit und dann sich entladende Begeisterung. Christophers scheint quasi romantische Dramatik mit sprachgezeugter Gestik zu verbinden. Die Tempi waren enorm, führten gelegentlich dazu, daß aus Orchestermotiven geradezu bizarre Figuren wurden, dies noch mehr, weil Christophers für eine extrem spannungsgeladene Dynamik sorgte. Ein regelrecht gefetztes „Dies Irae“ – der Tag geht so schnell, wie er kommt – bindet den „Zorn“ in erregende Abläufe, aber in eine humane Dramatik.
Die Vorstellung eines göttlichen Gerichtes fehlt bei Mozart. Der Tod „hat nicht allein nichts Erschreckendes mehr für mich, sondern regelrecht viel Beruhigendes und Tröstendes“, schrieb Mozart vier Jahre vor der Komposition, die er nicht mehr vollenden konnte. An diesem Abend war eine besonders schöne Koordination der Klangfarben des Orchesters mit denen des Chors zu beobachten, sicher ein Verdienst des unentwegt formenden und fordernden Dirigenten. Brillant wurden auch die für dieses Werk so typischen Holzbläserfarben ausgearbeitet. Gut fügten sich auch die SolistInnen ein: Die Sopranistin Ursula Fiedler, deren warmes Timbre der Grieg'schen Solveig noch in guter Erinnerung ist. Der Tenor Michael Nowak könnte etwas an Expressivität gewinnen, und der Baß Hans Griepentrog wuchtete sein „Tuba Mirum“ kraftvoll in den Saal. Verdienter Beifall für eine glänzende Aufführung.
Ute Schalz-Laurenze
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