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Flankenschutz und Konfrontation

Bund für Umwelt und Naturschutz wählt Angelika Zahrnt zur neuen Vorsitzenden: Rot-Grün kritisch beobachten, aber auch Schützenhilfe für Reformprojekte geben  ■ Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) – Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geht mit einer neuen Spitze in die rot-grüne Legislaturperiode. Der Umweltverband werde die Politik des grünen Umweltministers Jürgen Trittin mit „Kooperation, wo nötig mit Korrekturen und auch mit Konfrontation“ begleiten, erklärte die neue Vorsitzende Angelika Zahrnt gestern gegenüber der taz. Mit einer knappen Mehrheit von drei Stimmen hatte die Bundesdelegiertenkonferenz des BUND am Samstag abend die bisherige Vizechefin Zahrnt zur neuen Chefin gewählt. Die 54jährige setzte sich mit 72 Stimmen vor dem agrarpolitischen Sprecher Hubert Weiger durch. Hubert Weinzierl, der den Umweltverband seit der Gründung vor 15 Jahren geleitet hatte, wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

Zahrnt ist promovierte Volkswirtin, arbeitete am Ökoinstitut Freiburg und gilt als Vordenkerin bei den Themen Frauen und Umwelt, Nachhaltigkeit und ökologische Steuerreform. Die Umweltverbände seien nach der Wahl eines Grünen zum Bundesumweltminister keineswegs überflüssig, sondern „massiv gefordert, die ökologischen Halbherzigkeiten der Koalitionsvereinbarung voranzubringen“. Ein grüner Minister „nützt etwas, aber es ist eine Illusion zu glauben, jetzt sei die Regierung grün“, erklärte Zahrnt. „Wir werden Trittin an unseren Maßstäben messen und es deutlich sagen, wenn er danebenliegt.“

Dennoch will die neue BUND- Vorsitzende nicht nur auf Konfrontation setzen. „Wir werden dafür sorgen müssen, daß die Spielräume für eine ökologische Politik der Regierung größer werden“, sagte Zahrnt. „Wir müssen zum Beispiel offensiver die gesellschaftlichen Kosten des Verkehrs diskutieren, damit es bei einer Benzinpreiserhöhung nicht wieder einen Aufschrei gibt.“ Mit der Koalitionsvereinbarung ist der BUND nicht zufrieden. Zu wenig werde zu langsam angegangen, ist die Kritik. Vor allem die Unklarheit über den Zeitrahmen beim Atomausstieg und der Kampf um die Ökosteuer trügen dazu bei, daß von einer sozial-ökologischen Wende nicht die Rede sein könne. „Es gibt Fortschritte beim Umweltrecht, ein wenig beim Verkehr, wo auf den Flußaufbau verzichtet und Tempo 30 in den Städten ermöglicht wird, und beim Abfallrecht“, zählt Zahrnt auf. „Doch Defizite gibt es da, wo neue Instrumente für den ökologischen Umbau der Gesellschaft eingesetzt werden müßten.“

So sei bei der Ökosteuer zwar positiv, daß die Grundidee von der Verteuerung des Umweltverbrauchs und der gleichzeitigen Senkung der Lohnkosten im Steuersystem verankert werde. „Aber die Ausformulierung ist sehr ungenügend, und wenn dieses Wenige jetzt noch torpediert und verzögert wird, müssen wir genau hinsehen, was von der Ökosteuer noch übrigbleibt“, meinte die frischgewählte BUND-Chefin. Auch reiche es nicht, die Ökosteuer nur auf Energie zu beschränken, eine Abgabe auf die Stickstoffbelastung und den Flächenverbrauch sei ebenso nötig. Einerseits sei Trittins Ankündigung zu begrüßen, sich für restriktivere Freisetzungsmöglichkeiten von genmanipulierten Pflanzen auf EU-Ebene einzusetzen. Doch ein Moratorium über die Freisetzung in Deutschland sei gegen die SPD nicht durchzusetzen gewesen. Die Wahlen zu den einzelnen Positionen im BUND- Vorstand gingen ähnlich knapp wie die Abstimmung um die Spitze aus. Intern wurde das weniger auf einen Richtungsstreit zum Kurs gegenüber Rot-Grün zurückgeführt als auf unterschiedliche Interessen von Landes- und Bundesverband. Wenn diese Polarisierung auf die Bundesgeschäftsstelle übergreife, könne dies bis zur Lähmung des BUND führen, hieß es.

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