: Rolf Rüssmann war's
Diesmal hat Mönchengladbach nicht nur den Trainer, sondern auch den Manager als schuldig identifiziert und entlassen ■ Von Holger Jenrich
Helmut Grashoff, der große Manitou hab ihn selig, hat das Unheil kommen sehen. 1994, ein paar Jahre nach seinem Abschied aus der Führungsetage der Gladbacher Borussia, warnte der Ex-Manager des Niederrhein-Clubs die neue Chefetage bereits vor den Machenschaften seines Nachfolgers. „Ich halte den Vorstand für gut beraten, wenn er Rolf Rüssmann keine Kompetenzen im Sinne von Alleinherrschaft einräumt“, meinte Grashoff, stets Sinnbild für Seriosität, damals.
Gehört hat auf den vor anderthalb Jahren Verstorbenen offensichtlich niemand. Rüssmann (48), als gelernter Bankkaufmann einst Schalker Bundesliga-Skandalsünder und National-Vorstopper, hatte seit dem Antritt des Manageramtes im Jahr 1990 Borussia Mönchengladbach bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Erst jetzt, am Ende eines freien Falls Richtung zweite Liga, macht der Verein die Kapriolen des von übelmeinenden Fans „Bokassa“ geheißenen Mannes nicht mehr mit. Gestern nachmittag hat der Tabellenletzte der Fußballbundesliga nicht nur Trainer Rausch entlassen und ihn durch Rainer Bonhof (46) ersetzt. Er hat auch Rüssmann den verdienten Tritt in den Arsch gegeben.
Natürlich, das kurze Zwischenhoch Mitte der Neunziger hatte die Borussia zu nicht unerheblichen Teilen auch Rüssmann zu verdanken. Er hatte Effenberg zurückgeholt, Spieler wie Dahlin oder Herrlich verpflichtet, Sponsoren für den chronisch finanzklammen Club akquiriert und auch das beabsichtigte neue Stadion auf den Weg gebracht. Doch was außen nach „Das Geheimnis meines Erfolges“ aussah, roch innen nach „Leichen pflastern seinen Weg“.
Wer Rüssmann nicht paßte, wer nicht spurte, wer ihm irgendwie quer kam, der ward seines Borussen-Lebens nicht mehr froh. Der Manager inthronisierte sich Stück für Stück als Majestät vom Bökelberg und machte Kritiker jedweder Couleur einen Kopf kürzer. Da mußte schon eine Legende wie Günter Netzer herkommen, öffentlich etwas von „Hausmacht“ und „Filz“ verlautbaren, bis auch die Vereinsoberen begriffen, was Borussen-Fans seit langem forderten: „Der Schalker muß weg.“
Die Bilanz Rüssmannschen Schaffens ist, vom 95er-Pokalsieg abgesehen, ein einziges Debakel. Der Verein ist finanziell am Ende, die Mannschaft ist spielerisch am Ende: Seit Jahren hat Rüssmann zielsicher die Ersatzbänke der Liga leergekauft. Der Verein ist imagemäßig am Ende: Vier Trainer hat die Borussia in den 24 Jahren vor Rüssmann beschäftigt und nur einen gekegelt, deren sieben verpflichtet und sechs geschmissen in acht Jahren seiner Regentschaft.
Und vor allem hat Rüssmann mit Größenwahn, Ignoranz und Selbstherrlichkeit all das zerstört, was Borussia einst ausgemacht hat – ein anderer, ein liebenswerterer, ein humanerer Fußballverein als all die anderen zu sein. Er prozessierte gegen kaufmännische Mitarbeiter, tauschte das Geschäftsstellenpersonal nach Belieben aus. Und selbst den Busfahrer entließ er nach 16 Jahren hinterm Lenkrad von heute auf morgen.
Nun hat es den Allmächtigen, inzwischen gar zu einem der drei Vorständler aufgestiegen und somit mit zusätzlicher Machtfülle ausgestattet, doch noch erwischt.
Der Klub hätte es früher wissen können. Nicht nur Ex-Manager Grashoff, auch Ex-Kapitän Bruns hat bereits vor Jahren öffentlich bekundet: „Rüssmann ist ein ziemlich linker Typ – auf ihn kann man sich einfach nicht verlassen...“
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