: Erst stammeln, dann abkassieren
■ Dumm klickt gut: ProSieben und die Schönheitskönigin des Internets
Auch der Münchner Privatsender ProSieben versucht im Internet fremdzugehen. Dumm nur, daß man dort so viel lesen und so wenig bezahlen muß – wenigstens für den Inhalt. Bei ProSieben ist das anders. Am Wochenende hat der Sender die Wahl zur „Queen of the World Internet“ angekündigt.
Ein unlesbar stammelnder und mit Wiederholungen ermüdender Text stellt den Teilnehmern einer Fleischbeschau als Gewinn eine Flugreise in Aussicht (www.pro- sieben.de/beauty/1998/1102/queen/).Nachdem per Mausklick zehn Frauen – sowohl im Porträt als auch als Ganzkörper – am Betrachter vorbeigeflimmert sind, geht's zur Kasse. Wer abstimmen will, muß auf die Website des Anbieters „Queen of the World Corporation“ wechseln. Dort kostet die Mitbestimmung 2 Dollar, wer mehr Stimmen abgeben will, muß 20 Dollar auf den Tisch legen.
Die Abbuchung erfolgt über Kreditkarte. Seit Medienunternehmen das Internet nutzen, müssen Online-Redaktionen versuchen, ihre immer noch wenigen Konsumenten zu möglichst vielen Klicks zu verführen. Denn nur damit lassen sich Werbeagenturen anlocken. In dieser Hinsicht ist der Ehrgeiz von ProSieben beachtlich. Rund 70 Namen sind im Impressum aufgelistet. Daß es mit der Internet-Kompetenz des Unterhaltungssenders trotzdem nicht allzu weit her zu sein scheint, offenbaren die weiteren Webseiten. Unter dem Titel „Die teuerste Internet- Seite der Welt kostet Unternehmen 85,6 Mio. Mark“ findet sich zum Beispiel ein Artikel zum „Internet-Streik“ am Ostberliner GMD-Institut, der Mitte Oktober stattfand (www.pro-sieben.de/ web/news/1998/1021/boerse/). Darin heißt es, daß es aufgrund der „vollmundigen“ Ankündigung der Gewerkschaft ÖTV, 13,5 Prozent der Internet-Seiten des Instituts zu bestreiken, bei drei Internet- Unternehmen zu einem Börsenverlust von 85,6 Millionen Mark gekommen sei. Die bösen Gewerkschafter haben also schnell mal für einen Riesenschaden gesorgt – eine Milchmädchenrechnung, vor der selbst die Bild-Zeitung zurückschrecken würde.
Vornehm dagegen verschwieg der Sender, der im Web mit T-Online kooperiert, den in der ganzen Netzwelt beachteten Internet- Streik gegen die Telekom vom 1. November. Darüber ist kein einziges Wort zu finden. Klemens Fischer
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