: Ein Jahr für Betrug
■ Urteil zum verseuchten Hansetor-Viertel
Der frühere Geschäftsführer der Firma Interhomes, Dr. Sven Parsser, ist gestern vom Amtsgericht mit einem Strafbefehl zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Parsser hatte Anfang der 90er Jahre Einfamilienhäuser im sogenannten „Hansetor-Viertel“ in Hemelingen mit der Versicherung angeboten, der Boden sei vollständig saniert. Jahre danach stellte sich heraus, daß dies nicht zutreffend war. Stadtgemeinde und Baufirma mußten mehrere Millionen Mark an Sanierungskosten aufbringen.
Mit seiner früheren Firma hatte sich Parsser auf eine sechsstellige Abfindung geeinigt. Als er vor einem Jahr sein Haus in Oberneuland verkaufte, griff die Staatsanwaltschaft, die wegen Betrugs gegen ihn ermittelte, aber zu. Die von Interhomes gerade zur Überweisung anstehende Summe von 630.000 Mark stellte Parsser als Kaution zur Verfügung und wurde gegen die schriftliche Zusicherung, bei einer eventuellen Ladung vor Gericht auch aus Holland zu erscheinen, auf freien Fuß gesetzt.
In Holland ist Parsser seitdem als Berater tätig, verdient nach Angaben seines Anwalts rund 8.000 Mark netto im Monat. Dem Bremer Amtsgericht ließ er allerdings eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, daß er aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen könne. Unter normalen Umständen wäre damit die Kaution fällig gewesen, der Haftbefehl wieder in Kraft. Da Sven Parsser aber Niederländer ist, war seine Auslieferung seitens der Behörden des Nachbarlandes nicht zu erwarten.
Das Gericht wählte einen anderen Weg: Wenn der Angeklagte einen Strafbefehl über ein Jahr Gefängnisstrafe auf Bewährung und als Bewährungsauflage eine Geldstrafe akzeptieren würde, dann würde das Verfahren auch ohne Erscheinen des Angeklagten zu den Akten gelegt werden können. Der Verteidiger des Interhomes-Geschäftsführers stellte klar, daß die Geldstrafe aber nur den geringeren Teil der Summe, die Parsser als Kaution hinterlegt hatte, ausmachen dürfe. Gestern verständigten sich Staatsanwalt und Verteidiger auf die Strafbefehl-Lösung und eine Summe von 250.000 Mark.
K.W.
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